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Literaturpreis 2022

Wir sind sehr stolz, dass unsere Jury schon seit 16 Jahren professionell von einer Autorin unterstützt wird. In diesen Jarh wurde unser langjähriges Jurymitgleid Gebriele Beierlein verabschiedet. Wir freuen uns, Ilona Einwohlt als ihre Nachfolgerin gewonnen zu haben.

Gabriele Beierlein            Ilona Einwohlt

Hier ein paar filmische Impressionen der Preisverleihung: Film (4 Minuten)

Neben dem Preisgeld haben unsere Gewinnerinnen dieses Jahr die Möglichekeit gehabt, bei Radio Darmstadt (RaDar) ihre Texte aufzunehmen, zu schneiden und zu überarbeiten.

Die Texte wurden zu einem zweistündigen Radiobeitrag, der mehrfach bei RadaR gesendet wurde. Wir sind sehr stolz auf das Ergebnis, das sich wirklich hören lassen kann!

Hörproben aus der Sendung

Rieke Schuster "freie Wildnis" (3.Platz - Jahrgang 5&6)

 

Katharina und Charlotte "Endlich frei" (2. Platz - Jahrgang 5&6)

 

Tom Schmidt "frei"/"Lüftungsschacht 098" (1. Platz - Jahrgang 5&6)

 

Roya Sauer "frei, endlich frei" (3. Platz - Jarhgang 7-9)

war leider erkrankt

 

Lena Geyer "frei sein mit dir" (2.Platz - Jahrgang 7-9)

 

Ella Ziegert "Eleutheria" (1. Platz - Jahrgang 7-9):

 

Merlin Obst, Don Langer (Christian in Vertretung), Frederik Schmid "Grenzen sind zum Überschreiten da" (Sonderpreis Drama - E-Q-Phase):

 

Tim Hechler "Die Hochhäuser schmolzen hinter ihm" (3. Platz - E-Q-Pahse):

 

Vivien Meyer "Die Stimme" (2. Platz - E-Q-Phase):

 

Malak Aderounmu "noch ein text über gefühle" (1.Platz - E-Q-Phase):

 

 

Hier geht es zu den Leseversionen der Texte.

Cooming soon... die ganzen Texte als Hörversion.

 

 

Er war ein alter Mann und er fischte allein in einem Boot im Golfstrom, und seit vierundachtzig Tagen hatte er keinen Fisch gefangen.

Jeden Tag kehrte er mit einem leeren Netz nach Hause zurück und musste seine Familie enttäuschen, die sich nach einem Fang sehnte. Ein großer Druck lastete auf ihm, als er am fünfundachtzigsten Tag zum Meer zurückkehrte.

Er löste den Knoten, der sein Schiff an den Steg festband und stieg in das Boot hinein. Nun packte er die Ruder und ruderte aufs Meer hinaus.

Die Luft roch nach Salz und frischer Wind peitschte dem alten Mann um die Ohren.

Er kam nur sehr langsam voran. Seine Stärke war mit der Zeit geschwunden.

Das Schiff schaukelte leicht in den Wellen und der alte Mann bereitete alles für den Fischfang vor. Er legte die Netze aus und nahm seine Angelrute in die Hand. Danach konnte er nur noch abwarten. Und so wartete er Stunden lang, bis er die Sonne untergehen sah und es Zeit war zurückzusegeln.

Auf dem Rückweg begann es nach kurzer Zeit zu regnen und die zerfransten Klamotten des Mannes wurden vollkommen durchnässt. Seine Frau, sein Sohn und dessen Ehefrau machten sich große Sorgen, als sie ihn so zittrig und durchnässt sahen. Sie machten ihm sofort einen Tee und brachten ihn ins Bett.

Das Gewitter wütete und die Familie fror die ganze Nacht hindurch.

Am nächsten Morgen konnte der alte Mann nicht hinaus auf das Meer fahren, um Fische zu fangen. Er hatte sich etwas eingefangen und musste nun die nächste Woche im Bett verweilen. Doch dies plagte ihn nur umso mehr. Wie sollte er einen Beitrag leisten können, wenn er nur in seinem Bett verblieb?

Schließlich beschloss er doch noch, hinaus zu segeln. Ohne auf die Bitten seines Sohnes zu achten, der ihm draußen im Garten begegnete, lief er zum Steg am Sandstrand, löste das Seil und setze sich in das Boot. Es ist meine Pflicht, flüsterte er immerzu vor sich hin. Es war ein bewölkter Tag. Die Sonne strahlte leicht zwischen den Wolken hervor und nur eine kleine Brise zog über das Land. Der alte Mann saß in seinem Boot und hoffte auf einen Fang. Doch auch diesmal schwand seine Hoffnung, Stunde um Stunde mehr. Er brachte es nicht über sich, seine Familie erneut zu enttäuschen. Ich bin zwar alt, aber nicht zu alt, um mitzuhelfen. Voller Überzeugung sprang er von seinem Boot in die Wellen hinein. Das salzige Wasser drang in seine Augen und seine Kleider zogen ihn nach unten, doch trotzdem er hielt Ausschau nach den Fischen.

Der alte Mann spürte, wie der Wasserdruck ihm zu schaffen machte, in seinen Ohre piepte es schrill, während er keinen einzigen Schwarm in greifbarer Nähe zu Gesicht bekam. Luft, ich brauche Luft!, schrie sein Gehirn. Da konnte es der Mann nicht weiter aushalten. Er strampelte wild mit den Beinen, um die Wasseroberfläche zu durchbrechen. Ein paar Sekunden später tauchte er auf und klammerte sich an sein Boot fest, das seine Fingerknochen heraustraten und weiß wurden. Mit großer Anstrengung kletterte er wieder in sein Boot. Vielleicht bin ich doch ein wenig zu alt, um tauchen zu gehen, dachte er.

Den Rest des Tages sah er aufs Meer hinaus und grübelte vor sich hin.

Noch in der selben Nacht kehrte er heim. Seine Frau stürzte ihm entgegen und schimpfte, wie leichtsinnig es doch sei krank hinaus zu fahren, um zu fischen. „Dir hätte weiß Gott was passieren können!“, warf sie ihm vor. Der alte Mann bemerkte, wie viel besorgter sie um ihn war als um den Fischfang. In dieser Nacht traf er den Entschluss, nicht mehr aufs Meer zu fahren, um zu Angeln, sondern um sich zu entspannen und gelassener und ruhiger zu werden. Seiner Familie wollte er anderweitig mit kleinen Gesten helfen. Doch vorerst würde er seinen Sohn den Fischfang lehren, auf das sein Wissen ihm eine Stütze sei.

Mein neuer Chauffeur, der Herr Opossum,

ist ein ganz besonderer Genosse.

Steig' ich ins Auto ein, oh Graus:

das Polster schaut durch den Stoff heraus.

Was ist denn in der Box auf dem Sitz?

Das sind die Mäusescheibchenchips.

 

Steigt der Herr Opossum ein,

wollen auch die Kinder rein.

20 sind es an der Zahl,

streiten sich bei der Sitzplatzwahl.

 

Endlich sind sie angeschnallt

(bzw. haben sich festgekrallt)

und machen einen Heidenlärm.

Den Papa scheint's nicht zu stör‘n.

 

Doch hebt Opossum da den Kopf

und sieht dort am Himmel den Milan;

er stellt sich an,

er stellt sich tot,

die Zunge ist rot.

Und fällt auf den Autohupknopf.

 

Hupend steht das Auto da,

da kommt die Polizei, tatütata,

und will den Führerschein sehen!

Ich denk': "Jetzt ist's um uns gescheh’n“

Opossum hat sich eingekriegt,

obgleich er noch auf dem Sitze liegt,

denn Polizei ist nicht sehr nett,

weil der Fahrschein, der ist weg.

 

Dies Treffen war nicht sehr erfreulich,

doch der Polizist,

der hatte einen Schwips.

Und nach einigen Lügen

(er ließ sich sehr leicht trügen)

ließ er uns geh‘n, zu unserer Freude.

 

Nun fahren wir endlich los, hurra!

Doch's nächste Problem, das ist schon da:

Die Kabel am Motor sind abgekaut,

damit ha‘m sich die Kinder einst selber betraut.

Zum Glück ist Papa klug genug

(der ist Maschinist vom 2. Beruf),

die Reparatur ändert alles hieran,

denn nun springt der Motor wieder an.

 

 

Los geht's, durch Flur und Wald,

die Kinder sind müd' und schlafen bald.

dann geht's auf Asphaltgebau;

doch bald stehn' wir im Autostau!

 

Eigentlich ist es doch gemütlich.

Naja, ich bin ja auch begnüglich.

Doch das Ganze hat 'nen Haken:

das Opossum will nicht warten!

 

Drum lenkt es trotz meiner Wehr

das Auto aus dem Straßenverkehr.

Wir holpern also querfeldein weiter;

die Kinder sind erwacht und sehr heiter.

 

Ich hab's kommen seh‘n, den platten Reifen,

Opossum braucht noch Zeit zum Begreifen.

Autohüfpen hat ihm Spaß gemacht,

hat Risiken wohl nicht bedacht.

 

Der Reifen wird notdürftig geflickt,

Das Ersatzrad ist daheim, verflixt.

Deshalb müssen wir nun heimwärts fahren,

zurück durch all die Gefahren.

 

Zum Glück kommen wir auf halbem Wege

zur Autowerkstatt von Herrn Kegel.

Herr Kegel wechselt uns das Rad,

denn er hat stets eins parat.

 

Opossum ist bester Ausflugsstimmung,

doch die Kinder bringen ihn zur Besinnung.

Die wollen nämlich trotzdem heim

und Papa lenkt schließlich ein.

 

Auf dem Weg nach Hause

geraten wir unter Regens Brause.

Scheibenwischer gehen nicht,

ebenso wenig das Scheinwerferlicht,

und weil es an den Scheiben rinnt,

es Opossum bald die Sicht wegnimmt.

 

Plötzlich geht es steil bergab,

es kracht, es spritzt, und wir sind nass.

Dann treiben wir also auf dem Fluss,

und weil Opossum beschäftigt sein muss,

schalt' ich den Deutschlandfunk ein.

Doch er wollt' lieber hr1.

 

Wir schimpfen und zanken fürchterlich

Bis Opossum aufs Gerät schlägt und spricht:

"Deutschlandfunk ist mir nicht gut genug!"

Doch leider ist das Radio nun kaputt.

 

Wir fahren weiter die Strömung hinunter;

auf einmal sind die Kinder ganz munter:

wir treiben zu aufs offene Meer,

da waren die Kleinen schon ewig nicht mehr.

 

Das Wasser hat leider viel zu viel Kraft,

zu wenden haben wir nicht mehr geschafft.

Wir treiben weit weit weg vom Land

wo mein Zuhause sich befand.

Und, zu allem Überfluss

die Sippe seekrank werden muss.

 

Nichts passiert für ein paar Stunden,

dann haben wir eine Insel gefunden!

Ein paar Bäume wachsen dort,

nichts andres gibt's an diesem Ort.

 

Gefangen bleiben wir für alle Tage,

deshalb kann ich dir nur raten:

Lass dich nie auf ein Opossum ein!

Wenn du es befolgst, würd' ich mich freu‘n.

Als ich aufwache, ist die andere Seite des Bettes kalt.

Schnell schlage ich die Augen auf, in der stillen Hoffnung mein Gefühl habe mich getäuscht und in Wahrheit sei alles so wie immer und die kalte Hälfte warm. Während ich noch mit schweren Lidern blinzele, schleicht sich die Erkenntnis in meinen Kopf und flüstert mir Dinge zu, die ich nicht hören will:

„Es ist deine Schuld. Du hast nicht richtig aufgepasst. Das alles wäre nicht passiert, hättest du besser Acht gegeben…“

Das Herz bleiern, lasse ich die Beine über die Bettkante fallen. Mit einem dumpfen Schlag landen meine Füße auf dem Teppich. Ich erhebe mich und beginne das Haus zu durchsuchen; nur noch ein Fünkchen Hoffnung ist in mir.

Leere, wohin ich auch komme. Wie könnte es auch anders sein? Schwermütig lasse ich die Finger an der Wand entlanggleiten, die raue Tapete unter ihnen. Sehnsüchtig werfe ich einen Blick auf die verstaubten Familienfotos, auf denen noch alles in bester Ordnung war. Doch die diebische Zeit schlug ein wie eine Bombe und nichts war mehr an seinem Platz. Dinge verschwanden, und nicht nur Dinge, bis schließlich nichts mehr übrig war. Seither bin ich allein.

Nein. Noch bin ich nicht ganz allein, noch nicht. Trotz all der Ereignisse in vergangenen Tagen, ist mir Stella noch geblieben. Ich dachte immer, das könne mir nichts in der Welt nehmen.

Ich gehe aus der Haustür, um der Stille zu entfliehen; die Angst vor einer endgültigen Einsamkeit noch immer dicht auf den Fersen. Als ich die Stufen nach unten stolpere, trete ich ins Nichts. Ich strauchele. Beinahe falle ich. Klammere mich am Geländer fest, wie an einem Rettungsring.

Die Zeit reicht nicht, mich von dem Schreck zu erholen. Tick, tick, tick. Sie rennt. Fließt wie Sand durch meine Finger. Versickert wie Wasser im Grund.

Im Gemüsebeet finde ich sie nicht. Auch nicht hinter den Mülltonnen. „Weiter!“, zwinge ich mich. Mein Kopf will vorwärts, mein Herz will zerbrechen. In tausende Splitter. Bersten, explodieren und einfach aufgeben. Wo kann sie nur sein? Sie ist nicht hinter den Büschen. Nicht zwischen den Blumen.

Der Garten verschwimmt vor meinen Augen, ich spüre etwas Nasses auf meiner Wange. Meine Hände zittern, meine Knie wollen nachgeben. Ich kann nicht mehr weiter. Sinke auf den Boden. Bis auf mein Schluchzen ist noch immer nichts zu hören, doch die Stimmen in meinem Kopf drohen mein Trommelfell zu zerreißen. Ich versuche sie zu ersticken, die Tränen beiseitezuwischen, meine Beine zu zwingen, mich weiter zu tragen. Doch je mehr ich mich erheben will, desto stärker werde ich zu Boden gedrückt.

Bittersüß und salzig laufen Tränen über mein Gesicht. Tropfen auf meine Hände, wässern den Boden und verfangen sich in meinen Haaren. Ich kann mich nicht wehren, kann es nicht stoppen.

Da findet ein Geräusch seinen Weg durch die Stille aus Verzweiflung, die mich umgibt. Erst nur ganz leise. Dann immer lauter. Ich konzentriere mich. – Es ist ein Bellen. Durch den Schleier vor meinen Augen versuche ich auszumachen, woher es kommt. Da – eine Bewegung.

Das nächste, das ich spüre, ist eine kleine Zunge, die mein Dasein als Springbrunnen beenden will und versucht, die salzigen Tränen zu fangen. Doch ich weine weiter, immer weiter, vier Pfoten in meinem Schoß. Tränen der Erleichterung rinnen über meine Wangen. Sanft streiche ich über den Verband an einer der Pfoten; den Hinweis auf einen gebrochenen Knochen. Es scheint als wäre er verheilt.

Mein Herz steht still und schlägt gegen meine Rippen. Meine Freude ist unbeschreiblich groß. Die Tränen laufen nur so aus meinen Augen, tropfen in das Fell; auf die Nase um die ich so viel Angst hatte. „Stella“, schluchze ich und presse den kleinen Beagle an mich, als würde ich ihn nie mehr loslassen wollen. Und das will ich auch nicht.

„Willst du mit zu mir kommen? Wir könnten zusammen Mathe lernen.“, fragte mich meine beste Freundin Julia.

„Kann nicht. Du weißt doch, dass meine Eltern bis Samstag in Berlin sind.“, antwortete ich bedauernd.

,,Ja und? Umso besser, dann musst du nicht alleine zuhause sein.“, sagte Julia grinsend, total begeistert von ihrer eigenen Idee.

„Ich bin nicht alleine, ich habe dir doch erzählt, dass ich solange bei meiner Oma bleibe.“

„Stimmt, hast du mir ja erzählt.“ Sie ließ die Schultern hängen.

„Ich schreibe dir aber später noch, versprochen!“, schob ich hinterher, als ich ihren enttäuschten Gesichtsausdruck sah.

,,Na gut. Dann halt ein anderes Mal.“ Sie umarmte mich schnell und rannte dann zu ihrer Bahn, die schon gehalten hatte. Ich winkte Julia noch hinterher, mein Bus kam eh erst in 15 Minuten.

Langsam setzte ich meine Beine in Bewegung und lief zur Haltestelle. Ich steckte die Hände in die Taschen, heute war einer der kältesten Tage seit langem. Jedenfalls kam es mir so vor. Ich kuschelte mich in meinen dicken Schal, den Oma mir zum Geburtstag gestrickt hatte. Mir gefiel der Schal, weil er schön groß war. Außerdem schmiegte sich die weiche Wolle an meine Wangen, was ihn nicht nur zu einem tollen Versteck für mein Gesicht machte, sondern auch wirklich warm hielt.

Als ich um die Ecke bog, stand der Bus schon da. ,Hä, seit wann kommt der denn zu früh?´, fragte ich mich. ‚Ist ja eigentlich umso besser.‘

Ich hatte nämlich echt keine Lust, wie letztes Mal 20 Minuten in der Kälte auf den verspäteten Bus warten zu müssen.

Da ich meine Hände schon tief in meinen Taschen hatte, griffen meine Finger automatisch nach meiner Jahreskarte. Doch da war nichts. Meine Finger griffen ins Leere. Hektisch kramte ich weiter, mein Herzschlag wurde schneller. Ich warf einen Blick in meine Taschen, doch sehen konnte ich sie auch nicht. Da war nichts. Außer ein benutztes Taschentuch und meine FFP2-Maske.

Da fiel es mir ein. Meine Karte war in der anderen Jacke. Bei dem Regen am Morgen hatte ich mich für meine Regenjacke entschieden und das Ticket vergessen. Och nee! Wie konnte mir sowas Doofes passieren? Mann!

Aber es brachte nichts, sich aufzuregen. Das brachte meine Karte auch nicht dazu, zu mir zu fliegen. Jetzt musste ich mir ein Ticket kaufen. Beim Gedanken daran, mit dem grummeligen alten Busfahrer reden zu müssen, wurde mir übel. Konnte ich nicht einfach Schwarzfahren? Nein, würde ich erwischt werden, wäre es noch schlimmer. Wahrscheinlich würde mich auch noch die Polizei einsammeln, und mit ernsten Polizisten hatte ich noch weniger Lust zu reden.

Ich holte tief Luft, setzte schnell meine Maske auf, wickelte mir meinen großen Schal noch einmal um den Hals, und ging langsam die Stufen hoch. Ich starrte auf den Boden und mit leiser Stimme murmelte ich: ,,Eine Kinderfahrkarte bitte“ und versteckte mich noch ein bisschen tiefer in meinen Schal.

„Geht´ s noch leiser?“, fragte der alte Busfahrer gereizt. Erschrocken hob ich meinen Kopf. Mein Herz begann schneller zu schlagen und meine Hände wurden feucht.

„Hallo, ich rede mit dir.“, sagte er langsam und mit lauter Stimme. Ich schaute ihm kurz in die Augen, doch blickte gleich wieder nach unten und vergrub meine Hände noch etwas tiefer in meinen Taschen.

„Eine Kinderfahrkarte bitte.“, wiederholte ich diesmal etwas lauter und mit zitternder Stimme.

„Mädchen du musst lauter reden, ich verstehe dich nicht! Oder nimm die blöde Maske ab, wenn du nicht laut genug reden kannst!“, maulte er mich an. Ich zuckte zurück, mein Gesicht noch immer versteckt von meiner Maske und von meinem Schal.

„Hallo, geht es bitte etwas schneller? Du bist hier nicht die einzige im Bus!“, hörte ich eine weibliche Stimme hinter mir. Ich drehte mich langsam um und sah eine alte Dame, die sich auf ihren Stock stützte und mich genervt ansah.

„Tut mir leid.“, flüsterte ich und schob mich an ihr vorbei nach draußen. Mir war zum Heulen zumute.

An diesem Tag lief ich nach Hause.

Alles Anders 

Das Alltagsleben ist        ein langes Einschlaflied. 

Die gleichen Tage sind es,        die wir wie Schafe zähln': 

Ein Tag gleicht dem nächsten,        das macht uns immer träger, 

bis wir, im Schlummer schon,        nur fern noch hörn' die Strophen. 

 

Doch unerwartet werden wir        von schiefen Noten aufgeweckt, 

Das Lied, das wir einst kannten,        erklingt in neuem Ton. 

So sind wir aus dem Schlaf geschreckt,        und stellen fest: alles anders. 

Was Teil des ewigen Liedes war,        ist nun anders, alles anders. 

 

Die Sonne scheint,        die Welt doch grau. 

Verträumt seh' ich        aus verleidetem Fenster, 

versuch verzweifelt,        mich zu erinnern, 

was vor Sommern        noch gewesen, 

wie mir das Eis        auf der Zunge zerschmolz, 

wie meine Freunde        sich noch mit mir trafen, 

was die Worte waren der Strophen,        bevor der neue Teil brach an. 

 

Der Lehrer spricht,        tat er es auch einst        gegen die redenden Schüler an, 

versucht er nun,        man glaubte es kaum,        die Stille zu übertönen. 

Elend gerahmt geht der Unterricht;        wie eine Fremdsprache üben wir:         "Inzidenzwert!  Mutationsgebiet!" 

und lernen die Worte von dieser Strophe. 

Übereinander liegen die Seiten,        im verhassten Viereck         wie auf dem Schreibtisch, 

sodass ich denke, flehentlich:        Wann kann ich wieder zur Schule gehn?        Einst war dieser  Wunsch absurd. 

 

Doch endlich, dann,       zum Abend hin, 

das Chaos wird        nun abgelöst 

von täglichen Versen        der Tagesschau, 

wo sie immer         das Selbe sagen. 

Doch ihr Gedudel        macht uns müde, 

unter dunkler        Musik versinken 

wir in düsteren Traum,        in schleichenden Schlaf. 

 

Sagte ich etwa:        alles anders? 

Die Tage sind nun        elendig gleich, 

gleicher noch        als vor dem Wandel, 

und in Albtraum verfallend        wünschen wir, 

dass das traurige Lied        wieder fröhlich wird. 

 

Da siechen wir nun        erschöpft vor uns hin, 

denn was uns Mensch macht,        ward uns genommen. 

Und trotzdem sind wir        noch immer Mensch, 

das hat sich nicht geändert. 

Es ist nicht alles anders. 

Grummelnd und noch immer müde stützte sich der Murmeltiger auf seine Vorderbeine und hielt eine Pfote über seine Augen, um zu sehen was ihn so blendete. Es war Winter und der Murmeltiger war gerade erst eingeschlafen, der Sonnenaufgang konnte es also nicht sein. Genervt versuchte er etwas zu erkennen, doch er sah nichts, so sehr wurde er vom hellen Licht geblendet. Er dachte sich: Hoffentlich ist das nur ein blöder Traum und ich wache gleich wieder auf. Daraufhin ließ er sich gleich wieder in sein Grasbett fallen.

Das nächste, das ihn weckte war ein Geruch. Die Augen hatte er zwar noch fest verschlossen doch die kleine Nase des Murmeltigers zog einen verbrannten Mief ein. Keine Sekunde später war das Tier wach. Noch verärgerter als vorher zwang er sich aus seinem gemütlichen Bett und schlurfte gähnend zum Eingang seiner Höhle, um zu sehen, was ihn aus seinem Schlaf gerissen hatte. Er brauchte nicht lange, um die Augen weit aufzureißen und hellwach zu sein. Vor seiner Höhle hatte sich ein riesiges Feuer ausgebreitet.

Er war wie gelähmt. So etwas hatte der Murmeltiger noch nie zuvor gesehen. Er drehte langsam den Kopf, in der Hoffnung dass noch nicht alles um ihn herum verbrannt war. Doch um ihn herum waren nur verkohlte Bäume mit leeren Ästen zu sehen. Er brauchte eine Weile, um zu verstehen, dass er schleunigst verschwinden musste, um nicht wie die Hälfte seines geliebten Waldes zu enden.

Doch der Abschied fiel ihm schwer. Er schaute auf sein gemütliches Bett, in welchem er so viele schöne warme Nächte verbracht hatte. Er wusste, dass seine ganze Höhle vom Feuer zerstört werden würde, und das machte ihn unendlich traurig. Doch er musste verschwinden. Er rannte ein letztes Mal in die Höhle, um sich das kleine Täschchen mit seinem Lieblingsfenchel zu schnappen, rannte wieder vor seine Höhle und drehte sich hektisch in alle Richtungen.

Er erkannte die Lichtung, die noch vom hellen Mondlicht beleuchtet wurde. Mit schnellen Schritten lief er mit dem Feuer auf die Lichtung zu. Keine zwei Meter trennten ihn von der heißen lodernden Wand. Der Murmeltiger war es nicht gewohnt schnell zu laufen, das und die Wärme des Feuers sorgten dafür, dass er schon nach wenigen Minuten außer Puste war.

Doch die Lichtung war noch lange nicht erreicht! Er merkte wie schwer ihm das Atmen fiel und wie seine Schritte langsamer wurden. Er biss seine scharfen Zähne zusammen und beschleunigte wieder. Doch schon kurze Zeit später musste er stehen bleiben. Er bekam keine Luft mehr. Ihm wurde schwindelig und er merkte wie die Flammen immer höher wurden. Er spürte die Hitze auf seinem Fell und hatte das Gefühl, er würde von den immer höher werdenden Flammen umschlossen.

Keuchend drehte er sich im Kreis, versuchte einen Ausweg zu finden, doch es war zu spät. Ihm wurde schwarz vor Augen und er ließ sich erschöpft auf die Erde fallen.

 

,,Haaalllllooooo! Hörst du mich?“ fragte eine laute Stimme.

,,Lass ihn Jonald, der ist doch eh schon tot.“ meinte eine andere.

Langsam öffnete der Murmeltiger seine Augen. Er nahm erst verschwommene Umrisse von zwei Gestalten wahr. Als er merkte, dass es sich um zwei Bergziegen handelte, riss er die Augen weit auf, stützte sich auf und rutschte erschrocken so weit wie möglich weg von ihnen.

Als wäre das nicht genug, war er so weit nach hinten gerutscht, dass er mit den Vorderbeinen rudernd ins Wasser fiel. Augenblicklich versank er im eiskalten Wasser. Obwohl der Murmeltieger ein guter Schwimmer war, hasste er es zu schwimmen und es ärgerte ihn, dass er jetzt dazu gezwungen war. Außerdem fand er das Wasser viel zu kalt.

Sobald er das Ufer unter seinen kleinen Tatzen spürte, zog er sich fluchend aus dem Wasser und rannte erstmal fünf Runden um den See, um auch ja jeden Tropfen Wasser von seinem Fell zu bekommen.

Als das erledigt war, blieb er wütend vor den Ziegen stehen, welche ihn erschrocken ansahen. Er stemmte demonstrativ die Hände in die Seiten und schnauzte die zwei Bergziegen grimmig an: ,,Was macht ihr in meinem Wald? Das hier ist mein Revier und ich möchte hier keine anderen Tiere sehen, und schon gar nicht solche blöden weißen Zicken wie euch! Verschwindet!“

,,Wie bitte?“ fragte die eine Ziege. ,,Also erstens bist du hier in unserem Revier. Zweitens haben wir dir dein Leben gerettet du undankbares…….äh…...Jonald, was für ein Tier ist das eigentlich?“

Jonald musterte den Murmeltiger und runzelte fragend die Stirn.

Das machte diesen nur noch wütender: ,,Äh Hallo, ich bin ein Murmeltier, das sieht man ja wohl!“ Und bevor die Ziegen antworten konnten hatte er sich auch schon umgedreht und war mit großen Schritten davongestampft.

Jonald sah ihm verwundert nach. ,,Komisch, ich hätte schwören können, dass er ein Tiger ist.

Auch sein Freund musste lachen. „Ja, so ein Temperament habe ich bei einem Murmeltier noch nie gesehen.“

Der Murmeltiger suchte sich beleidigt eine neue Höhle und verbrachte dort den Rest seines Winterschlafes ohne weitere Störung.

Meine Schritte hallten über den Waldboden. Der Wind wirbelte die vielen Blätter durch die Luft, während ich den breiten Waldweg entlang eilte. Ich wurde immer schneller.

Ich versuchte möglichst gleichmäßig zu atmen, was mir unglaublich schwer fiel.

Immerzu wandte ich mich nach hinten um und stellte dabei erleichtert fest, dass niemand zu sehen war.

Der Wald schien dunkel und düster und meine Schritte klangen übernatürlich laut in der Stille. Ich keuchte. Allein die frischen und herbstlichen Farben der Blätter, die auf dem sandigen Boden verteilt lagen, lösten die erdrückende Stimmung. Grüne, rote, gelbe.

Ich hatte mich über die Bedeutung dieser Farben informiert: die Farbe Grün steht für Gift, Rot für Feuer oder Glut und Gelb für den Optimismus…

Ganz genau, bleib optimistisch, dachte ich. Es sind schöne Farben.

Doch während die Farben einerseits Wärme und Schutz versprachen, raschelten die Blätter laut, als wollten sie mich verraten. Meine Schritte wurden hektischer.

Ich wusste, mir blieb nicht mehr viel Zeit.

Ich legte einen Sprint ein. Hauptsache fort, bloß weg von hier. Ich lief und lief, so schnell mich meine Beine trugen. Nein, dachte ich, die Zeit darf noch nicht um sein, ich muss noch weiterkommen…

Dann vibrierte meine Uhr. Ich blieb stehen und sah keuchend auf das Display. „Vier Kilometer“, flüsterte ich.

Der riesige Baum, eingemümmelt im dicken, reinen Weiß, das geädert ist mit dunkelbraunen Strichen, thront majestätisch im Licht der blendenden Morgensonne. Die Luft ist kalt und schmeckt kühl nach süßlichem Schnee, der auf der Erde ruht wie eine Decke. Der Himmel, makellos blau, wird nach hinten hin immer heller, bis er, ganz in weiß, hinter den Bergen verschwindet, auf denen eine verschleiernde Nebelwolke liegt.

"Was mag sich wohl dahinter verbergen", fragte sich der junge Rotfuchs Foral, als er, wie jeden Morgen, auf Nahrungssuche bei der großen, von allen Tieren verehrten Glückseiche stehen blieb, um sich wie jeden Morgen die selbe Frage zu stellen. An diesem perfekten Tag jedoch hielt er länger inne als gewöhnlich.

"Gibt es dort auch Rotfüchse? So gerne würde ich mal welche sehen", dachte er, während er verträumt mit der Pfote Muster in den festen Schnee unter ihm schabte. "Was spräche dagegen, sich dort mal umzuschauen?", schweiften seine Gedanken weiter. Genussvoll und voller Abenteuerlust sog Foral die frische Luft ein - Kalt! Diese Kälte brachte ihn wieder zu Sinnen. "Wer weiß, ob ich jemals an diesen Ort zurückkommen werde, den ich so liebe?", bedachte er sorgenvoll.

Sehnsüchtig streckte er sich, um einen besseren Blick auf das Tal zu erhaschen. Er wollte ja hinunter wandern, aber gleichzeitig sein Zuhause nicht verlassen. Geheimnisvolle Schatten tanzten hinter dem Nebel. So gern würde er herausfinden, was es mit ihnen auf sich hatte. Er seufzte gequält. "Wenn ich hierbleibe, werde ich unglücklich, wenn ich weggehe, vermisse ich den Baum...", dachte er verdrossen.

"Nanu", ertönte auf einmal eine Stimme, die eindeutig die des weisen Uhus Malufandrohm war, der sein Heim in der Glückseiche hatte. "Du schaust so traurig aus!"

Foral drehte seinen Kopf nach Malufandrohm, als er schwerfällig zu ihm hinüber glitt und träge blinzelte. "Vielleicht kann ich dir ja helfen?", bot er an.

"Könntest du mir vielleicht einen Rat geben, was ich tun soll?", seufzte Foral und wies mit der Schnauze in das Tal, das sich vor ihnen auftat. Der Uhu kannte die Probleme von allen Tieren in der Gegend, denn wer eines hatte, ging damit zu Malufandrohm, damit er ihnen weiterhelfen konnte.

Er schmunzelte, als er ebenfalls nach unten schaute. "Das musst du dir schon selbst überlegen", fand er. "aber du solltest nicht zu lange warten. Sonst wird es zu spät, und du wirst du zu alt, und dann hast du keine Wahl mehr. Wenn es daran liegt, dass du diesen Ort so liebst, dann sollst du wissen, dass es Gefängnisse gibt, die nur deswegen Gefängnisse sind, weil man gar nicht mehr hinaus will. Wenn es daran liegt, dass du Dinge entdecken willst, dann sage ich dir, dass es manchmal besser ist, wenn man etwas nicht weiß"

Nachdenklich schaute Foral in die Mayemo-Berge. "Mayemo" bedeutete "Sehnsucht" in der alten Sprache der Adler, und "Geheimnis" in der alten Sprache der Schwalben.

Plötzlich bemerkte er, dass Malufandrohm nicht mehr neben ihm saß. Die Sonne ging schon auf den Mittag zu, stellte er außerdem fest, als sein Magen laut knurrte. Dann ging er weiter auf Nahrungssuche.

Der Schnee von letzter Nacht knirscht laut unter meinen Füßen, als ich über die verkrustete Oberfläche laufe. Es kommt mir vor, als würde ich etwas Verbotenes tun, während die Stille um mich herum das Geräusch meiner Schritte tausendfach verstärkt. Mir wird klar, dass ich vollkommen allein bin an diesem unbekannten Ort.

Ich schaue in die Ferne, um die vor mir liegenden Täler genauer anzuschauen, deren Schnee und Nebel im Sonnenschein glitzern. Um sie herum versperren große Tannen und zwischen ihnen einige Laubbäume den Blick an weiter entfernte Orte. Es scheint als würde die Zeit stillstehen und eine riesige unsichtbare Glocke alle Geräusche der Außenwelt schlucken, während der Baum direkt vor mir immer größer wird.

Nach einigen Schritten stehe ich direkt vor der gewaltigen Buche, deren Äste mit feinem Pulverschnee bedeckt sind. Unzählige Geschichten und Mythen ranken sich um sie. In meinem Stamm kennt man sie als Lebensbaum. Doch eines haben alle Erzählungen gemeinsam: Sie sprechen von einem uralten Baum, älter als die Zeit. Ich merke, wie mir langsam kalt wird, doch ich bin zu fasziniert, um diesen Ort zu verlassen. Ich bin der Buche nun so nahe, dass ich nur meine Hand ausstrecken muss, um sie zu berühren. Doch etwas hält mich zurück; eine innere Stimme, die mir rät, diesen gewaltigen und mächtigen Baum nicht anzufassen. Ich habe Angst, ich könne den Zauber dieses Ortes zerbrechen wie einen Spiegel – in tausende kleiner Scherben, die zusammen nie wieder etwas so Vollkommenes ergeben würden.

Und so verweile ich staunend und warte auf ein Zeichen der Götter, das mir sagt, was zu tun ist. Einige Zeit vergeht und ich merke, wie es immer kälter wird, bis sich die Wolken über mir auftun und dicke weiße Schneeflocken entlassen, die mir ein leichter Wind in die Haare weht. Dann erscheint auf einmal ein gleißend helles Licht, das durch die Wolkendecke bricht und den Baum vor mir zu purem Silber werden lässt.

Ein glänzendes Blatt fällt vor meine Füße, ich hebe es auf, verbeuge mich, um dem Baum und den Göttern für ihre Barmherzigkeit zu danken und mache mich mit bedächtigen Schritten auf den Heimweg, um meine Großmutter zu heilen.

Denn dieser Baum ist kein gewöhnlicher Baum. Er wird nur von jenen gefunden, die ihn finden wollen, um anderen zu helfen. Doch wird er gefunden, so besitzt jeder noch so kleine Teil von ihm eine Energie der Natur und Weisheit, die die Macht hat zu heilen.

Der Winter peitscht über das Land,

Die Wurmsel schaut geduldig gebannt

Am späten Morgen in den Osten,

Will Sonnenstrahlen kosten.

 

Ihr Bäuchlein knurrt; nichts ist darin,

die Hungersnot rafft sie dahin.

Die Federn überzieht ein frostiger Hauch:

Die Flügel, das Köpfchen, den wartenden Bauch.

 

Dann denkt sie: "Was bin ich für ein Narr!

Nahrung ist im Winter rar.

Doch bin ich nicht umsonst eine Wurmsel;

fress ich den Wurm, bin ich noch immer eine Amsel."

 

So tat sie's, Wurmsel wurde Amsel,

So, wie wir sie kennen, sitzt auf Zäunen und Ampeln.

Noch heute zwitschern sie sich zu,

Was Wurmsel tat; und sangen zu.

Die Bank am See stand schon immer dort. Im Sommer saßen dort oft Mütter während ihre Kinder im Wasser spielten, Rentner, die sich ihre Zeit vertreiben wollten oder Jogger, die eine kleine Pause brauchten. Doch im Winter war dort niemand.

Niemand spürte den Schnee unter seinen Füßen knirschen. Niemand zerstörte die Stille der Natur, die der Winter über den Ort gelegt hatte. Niemand saß auf der kalten Bank und ließ sich sie Sonne ins Gesicht scheinen. Niemand atmete die reine und kalte Luft ein und stieß sie in einer Dampfwolke wieder aus. Niemand spürte den Schnee, der so kalt war, dass die Finger rot wurden wenn man ihn zu lange hielt. Niemand sah das Wunder der Natur.

Aber das war nicht schlimm. Denn ohne den Einfluss der Menschen wird die Natur und Magie dieses Ortes bis in alle Ewigkeit erhalten bleiben.

 

 

 

Jeden Tag
Wenn fast 2 Milliarden Menschen aufstehen
Duschen und sich die Zähne putzen
Und aus dem Haus gehen
Fahren fast 2 Milliarden Menschen zur Arbeit
Mit Auto, Bus oder Bahn
Vielleicht fliegen manche auch in den Urlaub

Währenddessen
Kochen fast 2 Milliarden Menschen in der Küche
Zum Beispiel Krautsalat, Pommes oder Schnitzel
Und in Schweden vielleicht Fische
Und die restlichen fast 2 Milliarden Menschen
Die schlafen im warmen Haus
Behütet in unserer protzigen Welt

Jeden Tag
Nutzen wir
Wasser
Benzin
Und Gase
Plastik
Aus Erdöl
Metalle
Holz
Und Kohle

Jeden Tag
Essen wir
Gemüse
Und Obst
Meeresfrüchte
Und Fisch
Fleisch
Milch
Eier
Von Tieren

Jeden Tag
Beanspruchen wir
Licht
Strom
Und Wärme

Doch wer gab uns das Recht dazu?
Denn während wir
Immer mehr
Und mehr
Davon verbrauchen

Werden jeden Tag
82 Tausend Hektar
Wald abgeholzt
93 Millionen Liter
Erdöl gefördert
89 Milliarden Tonnen
CO2 ausgestoßen
123 Millionen
Tiere geschlachtet

Und weitere 300 Tausend
Meerestiere und Seevögel sterben
An den über 150 Millionen Tonnen
Plastik in den Meeren

Und jeden Tag
Werden weitere 575 Millionen
Plastiktüten produziert
Und es landen weitere 35 Tausend Tonnen
Plastik in unseren Meeren

Warum machen wir weiter damit?
Wir sehen doch
Wie der Regenwald jeden Tag an Fläche verliert
Wie das Eis am Nordpol jeden Tag schmilzt
Wie das Ozonloch jeden Tag größer wird
Und wie Tierarten aussterben
Wir wachen jeden Morgen auf
Wir fahren jeden Tag zur Arbeit
Wir essen und wir schlafen
Wir machen jeden Tag das Gleiche
Und machen uns das Leben
So bequem wie möglich

Also appellieren wir an alle 7 Milliarden Menschen da draußen
Wenn ihr
morgen früh
Aufwacht
Dann
Macht
Etwas
Anders

Denn die Welt verdient es
Mit Vorsicht behandelt zu werden
Denn ohne sie gäbe es
Alle 7 Milliarden Menschen nicht

Denn die Welt ist
Fantastisch
Und ihre Ressourcen
Das Fantastischste
Was es gibt
Denn das ist alles
Was es gibt
.

©2019 SchreibKunst-Blog/ Lea Wallrabenstein (9d) & Sophie Schönrock (9d)

,,Da vorne ist noch etwas frei!”

Es war Valentinstag und nach dem Besuch im Kino beschlossen wir, den Tag mit Kaffee und Kuchen abzurunden. Emma nickte mir zu und Hand in Hand begaben wir uns zu einem freien Platz. Er befand sich relativ weit hinten, sodass man von dort aus einen guten Überblick auf das Cafe hatte. Zumindest, wenn man wie Emma an der Wand saß und nicht wie ich von ihrer liebreizenden Freundin dazu überredet worden war, der Aussicht den Rücken kehren zu müssen. ,,Eines Tages gebe ich nicht nach...”, murmelte ich. Sie drückte mir erneut einen Kuss auf die Wange. ,,Denke ich nicht.”

Ein verspieltes Zwinkern sorgte dafür, dass Pudding meine Knie ersetzte und plötzlich war ich froh, mich schon hingesetzt zu haben. Emma und ich waren schon lange gute Freundinnen gewesen, schon seit ich denken kann. Wir gingen zusammen in den Kindergarten, wurden derselben Grundschulklasse zugeteilt und belegten nun in der Oberstufe fast überall die selben Kurse. Vor zwei Jahren jedoch gestand Emma mir, dass sie mich als mehr als nur eine gute Freundin sah, dass sie sich in mich verliebt hätte. Ich empfand das gleiche für sie und so kam es, dass wir beide ein Paar wurden.

Das Mädchen meiner Träume blätterte nun also nachdenklich in der Kuchen-Karte und einmal mehr fiel mir auf wie hoffnungslos ich mich in sie verliebt hatte. Die Art, wie sie sich ihr blondes Haar hinter das Ohr klemmte, ihre Finger elegant mit einer der Seitenkanten der Karte spielten, während ihre Augen ein Angebot nach dem anderen überflogen, lösten Herzsprünge bei mir aus.

,,Amelie? Bist du noch da?” Ihre süße Stimme holte mich aus meiner Trance und ich schreckte leicht hoch. ,,Alles okay bei dir? Du wirkst abgelenkt.” Ich kratzte mich am Hinterkopf. ,,Ne, alles gut. Weißt du schon, was du willst?” Ungläubig zog sie eine Augenbraue hoch. Was auch immer sie dachte, sie entschied sich es nicht auszusprechen.

Dem Rot ihrer Wangen zu urteilen, hatte sie mein Starren jedoch bemerkt. ,,Das hier fand ich gut’’. Sie drehte die Karte zu mir um, sodass ich lesen konnte, was darauf stand. Es war ein kleiner Schokokuchen mit flüssigem Kern. Ein Valentinstag-Special nur für Paare. Ich nickte. ,,Zu schokoladigem sag’ ich nicht nein.” Sie murmelte etwas davon, wie gut sie mich ja kenne. Was sie genau sagte konnte ich aber nicht verstehen. Mir war generell aufgefallen, dass sie seit dem Film sehr ruhig geworden war, wo sie doch sonst immer so gesprächig veranlagt ist. Ihr nachdenklicher Blick war auf irgendeinen Punkt auf dem Tisch fixiert und in ihren Augen lag etwas, dass mir Sorge bereitete. Benennen konnte ich es aber nicht genau.

,,Hey, schau nicht so betrübt. Sag deiner Freundin was los ist.” Ich piekste sie leicht in die Wange, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen und sie gab mir ein leises Seufzen als Antwort. ,,Es ist der Film…” ,,Hat er dir nicht gefallen? Ich fand ihn nicht schlecht, auch wenn das Outfit des
Hauptcharakters viel zu eng war.” Sie schnaubte belustigt und legte ihre Hand auf meine. ,,Auch wenn du recht hast, das meinte ich nicht.” Sie lehnte sich nach vorne. ,,Hat es dich nicht gestört, dass der eine so früh gestorben ist? Du weißt schon, der mit der Brille.”

Angestrengt dachte ich nach.
,,Meinst du den, der sich als schwul geoutet hat?” Ich überlegte. ,,Naja, er hatte jetzt keine großartige Rolle im Film, da hat mich sein Tod eher mäßig mitgenommen.” ,,Aber genau das meine ich! Der Film hat so viel Werbung gemacht, dass sie ja so fortschrittlich seien und sogar einen schwulen Charakter eingebaut hätten.” Sie schüttelte den Kopf. ,,Stattdessen hatten wir ein laufendes Klischee, dass für die Geschichte völlig unnötig war und nach gefühlten zehn Minuten gestorben ist.” Ihre Stimme triefte vor bitterem Sarkasmus und ihr Ärger stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. Es tat weh sie so zu sehen, doch ich schwieg und ließ sie weiter sprechen.

,,Ist es zu viel verlangt die Sexualität von jemandem, der nicht Hetero ist, einfach mal nicht an die große Glocke zu hängen? Uns so zu behandeln, wie man es mit jedem Heteropaar macht? Wir sind doch auch nur gewöhnliche Menschen…” Ich drückte ihre Hand, vermied aber den Blickkontakt. Ich wusste einfach nicht, was ich dazu sagen sollte.

Zum Glück kam endlich ein Kellner an den Tisch, sodass wir unser Gespräch kurzzeitig pausieren mussten. ,,Was kann ich euch bringen?” Er sah gelangweilt aus, als würde er verzweifelt die Minuten bis zum Feierabend zählen. Emma ließ meine Hand los und bestellte sich einen Kaffee, während ich mich für eine heiße Schokolade entschied. Der Kellner schrieb sich alles mit einer solch monotonen Gestik auf, dass ich bei seinem Anblick selbst das Verlangen hatte zu gähnen. Als wir aber das Valentinstag-Special erwähnten, schüttelte er den Kopf. ,,Tut mir leid, aber das ist nur für Pärchen.”

Emma setzte sich etwas gerader hin. ,,Genau. Deshalb haben wir das auch bestellt.” Man konnte förmlich sehen, wie sich die Zahnräder in seinem Kopf drehten und es dauerte auch nicht lange bis er es endlich verstanden hatte. Er zog die Augenbrauen nach oben und seine Mundwinkel bewegten sich in dieselbe Richtung. ,,Aber natürlich meine Hübschen, ein Valentinstag-Special kommt sofort!” Er zwinkerte uns beiden zu, so wie man es von Typen aus schlechten Romanzen kennt und ich bemerkte wie Emma ihm genervt hinterher schaute. Ich nahm ihre Hand in meine und versuchte sie etwas zu trösten. ,,Ignorier es einfach.”

,,Aber stört es dich nicht?”. Sie entzog mir wieder ihre Hand und legte sie vor sich auf den Tisch. ,,Wäre einer von uns ein Junge gewesen, würde uns sowas nicht passieren. Warum kann man uns nicht behandeln, wie jeden anderen auch?” Zum wiederholten Mal seufzte sie. ,,Manchmal kann ich nicht anders als mir eine Welt vorzustellen, in welcher wir nicht behandelt werden wie irgendwelche Fantasiewesen; In welcher Menschen wie wir einfach das sind: Menschen.” Ich schüttelte den Kopf. ,,Emma, hör bitte auf damit. Freu dich doch lieber über das, was wir haben.”

Ich versuchte sie mit einem Lächeln zu trösten, doch sie ließ nur den Kopf hängen. Dieser Anblick brach mir fast das Herz. ,,Ich weiß. Aber es ist doch erlaubt, darüber zu fantasieren?” Ich schwieg. Wieder wusste ich nicht, was ich dazu sagen sollte. Ich wusste, was sie meinte, das tat ich wirklich. Nicht selten dachte ich genauso. Wieso ist es eine so große Sache, Gefühle für jemanden mit dem gleichen Geschlecht zu hegen? Warum kann ich meiner Familie nicht einfach stolz von meiner Freundin berichten? Wo ist das Problem, uns einmal nicht wie seltene Wesen, wie eine Attraktion zu behandeln?

Auch ich stellte mir nun eine Welt vor, in welcher wir sein dürfen, wer wir sind. In welcher wir nicht als unnatürlich angesehen werden, uns nicht dafür schämen müssen. Eine Welt, in welcher Hass und Scham keine natürliche Hürde im Lauf unseres Lebens darstellt und ich mochte diese Welt. Sie erfüllte mich mit Freude, mit Erleichterung und mit Freiheit und ich wünschte mir sie wäre Realität. Ich wünschte es mir so sehr.

Eine Kellnerin kam an unseren Tisch und stellte unsere Bestellungen unsanft auf dem Tisch ab, sodass etwas von Emmas Kaffee auf die Tischdecke schwappte. Die Kellnerin sah uns nicht an, wünschte uns nicht einen guten Appetit, fragte uns nicht, ob wir nicht noch einen Wunsch hätten, zeigte keine Anzeichen von Reue über die verschütteten Kaffee.

So sehr ich es mir also wünschte, mit Emma in einer solch fantastischen Welt, frei von jeglichen Gewichten der Schuld, des Schams und des Hasses zu leben, es würde immer dabei bleiben: Ein Wunsch. So fantastisch diese Realität wäre, es bleibt dabei.

Sie bleibt fantastisch.

©2019 SchreibKunst-Blog/ Mira Durak (Q2)

So kehren wir doch mal die Zeit ganz weit zurück, zum Anfang. Zu der Zeit wo es noch keinen von uns gab, nur Adam und Eva. Die Geschichte mit dem Apfel sollte jeder kennen, deshalb überspringen wir diese mal. Nun, Adam und Eva sind für die Entstehung der Menschheit verantwortlich, nicht wahr?
Fantastisch, dass aus zwei, acht Milliarden entstehen konnten. Fantastisch sind die Frau und der Mann. Zuerst entsteht aus der befruchteten Eizelle nun ein Wesen, das sich Mensch nennt, dieses Wesen sind wir. Anfangs kriegt man nichts mit, nicht ob man geplant war, ob man Freude erweckt oder Verzweiflung. Wir sind in diesem Zustand das wohl unschuldigste Wesen erdenkbar. Man wird von Haut, Fett, Muskeln umhüllt und gleichzeitig durch eine einzige Schnur, der Nabelschnur bewirtet.

Jetzt wachsen wir, es bilden sich Strukturen, Zellen vermehren sich und wir nehmen so langsam an Gestalt an. Dabei spielen die Gene unserer Eltern eine wichtige Rolle. Wenn wir annehmen, dass Adam und Eva unsere Vorfahren sind, so tragen wir alle irgendwo in unserem Erbgut ihr Gen. Die Gene bestimmen ob Stubsnase oder Rabennase, ob große, runde Augen oder ob wir eine Brille brauchen.

Plötzlich wird es laut, wir beginnen stimmen zu hören und bemerken, dass wir nicht allein sind. Wir nehmen schließlich unser Umfeld wahr. Eine weiche Stimme ertönt, sie lässt uns nicht gehen. sie ist immer da und flüstert manchmal zu uns. Wir gewöhnen uns an sie, nehmen sie wahr und beim erklingen dieser stimme freuen wir uns, wir alle. Wir beginnen zu treten, nicht aus Rache das wir in diese grenzenlos verhasste Welt gesetzt werden, sondern darum, dass wir wollen das wir auch wahrgenommen werden. In der Hoffnung, dass die so honig-süße Stimme sich an unserem Treten so erfreut, wie wir uns, wenn sie redet, murmelt, singt oder sogar flucht. Die meiste zeit schlafen wir, trotzdem schläft unser Umfeld nicht. Wer weiß, vielleicht veranstalten sie eine Baby-shower-party oder kaufen uns Klamotten oder versuchen unser Geschlecht herauszufinden. Irgendwann wird es uns zu eng. Wir haben uns schon so gedreht, dass wir kopfüber in einer lustigen blase liegen. Es kommt sogar dazu, dass diese Blase platzt. Die Flüssigkeit fließt dort lang, wo ich versuche rauszukommen, nur geht es bei mir nicht so einfach.

Wir verursachen Schmerzen. Die uns so verlässliche Stimme beginnt auf einmal zu stöhnen, zu schreien. Um ihren Schmerzen ein Ende zu bereiten, versuchen wir es noch stärker, jedoch weiterhin ohne Erfolg. Wir hören Sirenen, nur zu diesem Zeitpunkt wissen wir nicht was Sirenen sind, aber wir hören sie.

Wir spüren Druck, es wird wärmer, enger. wir sehen Licht, so warmes Licht.

Hände greifen nach uns, wickeln uns ein und wir beginnen zu kreischen. Ihre Stimmen so fremd, uns wird kalt. Plötzlich spüren wir wieder Wärme, von Kopf bis Fuß und siehe da, die verlässliche Stimme erklingt wieder, sodass wir unsere Münder schließen. Unsere Hände legen wir auf ihren Körper und ohne weiteres schlafen wir ein. Dieses Gefühl von Geborgenheit ist fantastisch. Wie dem auch sei beginnen wir unser Umfeld wahrzunehmen. Ein Mann, der immer bei uns ist. Autos, Flugzeuge, andere Kinder, ja sogar uns selbst. Wir beginnen die Welt zu erforschen, tapsen durch die Gegend, greifen nach Gegenständen oder probieren alles Mögliche. Anfangs mussten wir dafür auf unseren Händen und Knien gehen, nun sind wir schon so weit, dass wir auf unseren Füßen gehen können. Die vertrauten Gesichter, die sich anscheinend Papa und Mama nennen, freuen sich umso mehr und richten ein viereckiges ding auf uns, aus dem ein grelles licht hervorgeht. Auf einmal spüren wir etwas in unserem Mund, es schmerzt. Dennoch freuen sich Mama und Papa auch daran, sie nennen es ,,Zähnchen ́ ́, und wieder ein grelles Licht. Und eines Tages kriegen wir dann auch eine Stimme, und bemerken nicht wie kraftvoll diese ist. Ein Wort, ein Wort kann so viel bewirken.

Mein erstes Wort war ,,Mama ́ ́, sie freute sich riesig, Papa auch. Trotzdem konnte ich ein wenig Trauer erkennen. Dieser will ich nie wieder begegnen, weshalb ich ganz schnell gelernt hab ,,Papa ́ ́ zu sagen.

Egal was wir tun, ob wir das Haus verwüsten, Puppen die Haare abschneiden oder daneben pinkeln, sie lächeln jederzeit.

Jetzt höre ich Popmusik, experimentiere mit Klamotten und poste auf Instagram. Versuche herauszufinden wer ich bin, indem ich mich mit anderen vergleiche. Meine Freunde sagen ich sei besonders, aber was macht mich denn besonders?

Wer konnte überhaupt wissen, dass aus dieser einen Eizelle, wir mal werden? Ob wir männlich oder weiblich sind? Ob wir Christen, Juden oder Moslems sind? Schwarz oder weiß, Afrikaner, Europäer, Amerikaner oder Asiaten? Wer konnte wissen, an welchem Ort der Welt wir geboren werden? Wer konnte überhaupt wissen, dass man all das voneinander unterscheidet?

Und weshalb gibt es diese Unterschiede? Weshalb vergisst der Mensch den Prozess der Sozialisation? Weshalb vernachlässigt er das der Prozess bei jedem der gleiche ist und wir alle doch Menschen sind?

Trotzdem gibt es den Begriff ,,unmenschlich ́ ́. Er wird zum Beschreiben der Personen benutzt die Kriege zetteln, solchen die Moscheen, Kirchen, Synagogen bombardieren, solchen die andere wie uns nicht lassen die Welt zu erforschen, solchen die uns und unseren liebsten die Stimme nehmen. Ungeheuer ist der Mensch mit all seinen Fähigkeiten. Diese Welt war nicht für Unterschiede und Hass bestimmt, sondern für Gemeinschaft und Harmonie,
So schreibe ich es für alle nochmal ganz laut: WIR SIND GLEICH! Und das ist fantastisch!

©2019 SchreibKunst-Blog/ Fatma Turgut (E-Phase)

,,Das ist ja fantastisch!‘‘, rief der alte,weiße Mann aus seinem Sessel heraus. Soeben teilte ein Mitarbeiter seiner Firma ihm mit, dass der millionenschwere Deal mit einer saudischen Erdölgesellschaft stattfinden würde. Dem Mann stand die Gier förmlich in seinem Gesicht -nein, in seinen Augen- geschrieben.

,,Fantastisch..wirklich fantastisch...‘‘, murmelte er zufrieden in seinen Bart.

Doch für welchen Preis? Wer bezahlt wirklich dafür? ,,Das ist ja fantastisch!‘‘, die Frau umarmte ihren Ehemann voller Enthusiasmus. Dieser kam nämlich mit der frohen Botschaft nach Hause, eine Gehaltserhöhung erhalten zu haben. ,,Da haben sich all die Überstunden wohl doch beim Chef bemerkbar gemacht,nicht?‘‘, sie strahlte ihn mit ihren unnatürlich weißen, perfekten Zähnen an.

,,Vielleicht könnten wir dieses Jahr noch ein drittes Mal verreisen. Wieder auf die Boa Boa? Mal schauen‘‘, der Mann stellte sein Weinglas auf den Küchentresen ab. ,,Aber auf Boa Boa waren wir doch schon, ich würde viel lieber nach Capri! Oder nach Doha!‘‘, der Mann zuckte als Antwort nur mit den Achseln. ,,Mir egal, ich will eigentlich nur Zeit mit dir verbringen.‘‘, er drückte einen Kuss auf ihren Mund und schaltete den großen, teuren Fernseher an.

,,Das ist ja fantastisch!‘‘, der Junge hielt breit grinsend seine Zusage für eine der angesehensten Universitäten hoch. Seine Mutter zog ihn in eine enge Umarmung und drückte ihn fest.

,,Ich bin so stolz auf dich!‘‘. Er war glücklich. Nicht nur, weil er seit Langem mal wieder seine Mutter glücklich sehen konnte. Sondern weil er nach monatelanger harter Arbeit, wenig Schlaf und - ach,all die Nächte, die er durchmachen musste! - das ganze Lernen... – all das hatte sich ausgezahlt. Zufrieden zog er sich aus der Umarmung heraus und setzte sich an den kleinen Esstisch, in der genauso kleinen Küche, in der genauso kleinen Wohnung.

Das Essen auf dem Herd ist gerade fertig geworden und während die alleinerziehende Mutter den Tisch deckte, dachte sie nach. Sie war nur bei der Geburt ihres Sohnes noch glücklicher als jetzt. Seit seiner Kindheit machte sie sich um seine Zukunft Sorgen. Sie hatte Angst, dass er vielleicht so enden würde wie die vielen anderen Kinder aus ihrer Nachbarschaft: Drogen, Alkohol und nicht selten auch kriminell. Doch in eine bessere Gegend umzuziehen kam nie in Frage, dazu reichte das Geld einfach nicht. Hat es noch nie. Umso erleichterter war sie als sie von einem seiner Lehrer kontaktiert wurde, der das Potential ihres Kindes erkannte und ein Stipendium organisierte.

,,Hier, Liebling‘‘, sie stellte das Essen vor ihm hin und schon stürzte er sich freudig darauf. Danke Gott.Für alles, dachte sie, während sie ihrem Sohn beim Essen zusah.

,,Das ist ja fantastisch!‘‘, ein junges Mädchen, das am Wegesrand saß, sah zu einem Pärchen hinüber. Die Frau hielt ein Ultraschallbild hoch, während der Mann sie stürmisch umarmte. Da scheint wohl jemand schwanger zu sein, dachte das Mädchen.Wie schön. Der schneidend kalte Wind fuhr durch ihre Kleidung. Sie versuchte wenigstens ihr Gesicht in ihrem zerschlissenen Schal zu schützen und vergrub es darin. Der Himmel über ihr verdunkelte sich langsam mit grauen Wolken.

Bitte kein Regen!, dachte sie. Wo sollte sie denn hin, wenn es so spät Abends zu stürmen anfängt? Ein Zuhause hatte sie nicht. Außer man nennt die Straßen dieser Stadt ihr Zuhause. Aber ist ein Zuhause nicht eher warm, voller Liebe und,naja,Essen? Sie wusste es nicht; fast ihr ganzes Leben verbrachte sie nämlich schon auf der Straße. Solange schon, dass sie nicht einmal wusste, wie es dazu kam. Sie stand auf und machte sich auf die Suche nach einem Schlafplatz, oder zumindest nach einer überdachten Stelle. Frierend und zitternd machte sie sich mit ihren wenigen Habseligkeiten auf den Weg. Doch nach nur ein paar Minuten wurde ihre Befürchtung wahr : es fing an zu regnen. Fluchend stellte sie sich unter den nächstbesten Dachvorsprung. Sie ging in die Hocke und vergrub frustriert ihr dreckiges Gesicht in ihren Armen. Wäre es nicht so kalt, so hätte sie sich eigentlich unter den Regen gestellt um wenigstens ein bisschen Dreck von ihrem Körper abwaschen zu können. Aber sie wollte keine Krankheiten riskieren, das wäre ein Todesurteil für sie.

Das Körper des Mädchens wurde langsam von einem Beben übermannt. Sie fing leise an zu schluchzen, weinte für sich. So wie sonst immer auch. Sie dachte daran in welch einer Situation sie leben muss, wie keiner sich um sie kümmert und wie sie wahrscheinlich auf den Straßen ein armseliges Leben sterben muss. Dabei war sie doch gerade mal 12.

,,Ich will doch nur ein Zuhause...‘‘, schluchzte sie. Das Weinen wurde schlimmer. ,,Hey, ist alles in Ordnung?‘‘, die Stimme ging fast im Geräusch des Regens und ihrem Heulen unter. Doch sie warf trotzdem einen kleinen Blick nach oben. Ein Mann stand vor ihr, neben ihm eine Frau. Sie erkannte beide wieder, es war das Pärchen von vorhin.

In all den Jahren, in denen sie mehrmals auf der Straße weinend zusammenbrach, hat nicht einer gefragt wie es ihr geht. Jetzt konnte sie nicht mehr aufhören zu weinen. ,,Nein.‘‘,schluchzte sie. ,,Nichts ist in Ordnung.‘‘, sie brach zusammen und ließ all ihren Gefühlen freien Lauf. Das Pärchen leistete ihr dabei stille Gesellschaft, bis die Frau diese Stille unterbrach.

,,Brauchst du zufällig eine Familie?‘‘, sie lächelte das kleine Mädchen an. Ihr Lächeln strahlte Güte aus, und Wärme. Fühlt sich so Zuhause an? Dinge, die das Mädchen so vorher noch nicht kennengelernt hatte. Sie nickte als Antwort langsam, in ihrem dreckverschmierten Gesicht blitzte ein Fünkchen Hoffnung auf.

,,Hättest du was dagegen, wenn wir uns ab sofort um dich kümmern?‘‘, sie blickten beide erwartungsvoll auf das Mädchen. Und wieder schüttelte sie ihren Kopf. ,,Nein...‘‘, ihre Stimme zitterte. Und brach abermals in Tränen aus. Diesmal war es aber fast schon so, als würde der Regen ihre Sorgen wegspülen.
Was blieb, war ein warmes Gefühl tief in ihrem kleinen Brustkorb.

Ein kleiner zierlicher Junge läuft durch die Ruinen seiner Nachbarschaft. Sein geschundener Körper kann ihn gerade so tragen; ein Wunder, dass er das letzte Bombardement überlebt hatte.

,,Mama..‘‘, weinte es. ,,Baba... wo seid ihr?‘‘ Ein unkontrollierbares Schluchzen erschütterte seinen winzigen Körper. Die Tränen hinterließen auf seinen von Asche bedeckten Wangen einen nassen Pfad.

Nichts außer sein Schluchzen und Weinen waren zu hören. Eine ungewohnte Stille, die diese Gegend schon seit fast zwei Wochen nicht mehr kannte. Das Kind streifte ziellos durch seine alte aber nun zerstörte Nachbarschaft, bis es sich ermüdet auf einen Mauerstein setzte. Es vergrub sein Gesicht in den dreckigen,zittrigen Händen und weinte. Und weinte, und weinte, und hörte nicht auf zu weinen.

Er war noch sehr jung aber trotzdem wusste er, was es bedeuten kann wenn Krieg herrschte: Tod. Trauer. Alleinsein. Aber er hatte doch immer seine Eltern und großen Geschwister? Wie soll er denn auf sich alleine gestellt leben können? Sein Weinen wurde noch unkontrollierbarer, stärker und schon fast animalisch. Er fing an zu realisieren, dass er jetzt allein war. Für immer.

Allein. Ein so kleines, unschuldiges Kind. Was konnte er denn schon für die Probleme der Erwachsenen? ,,JEBRAIL?‘‘, rief jemand aus der Ferne. Sein Kopf zuckte beim Klang seines eigenen Namens hoch. Er sprang auf und sah sich um. Diesmal fing er vor Freude und Erleichterung an zu weinen, denn er sah seine große Schwester und seine Mutter. Er rannte auf sie zu und war unendlich erleichtert niemanden verloren zu haben. Wo sein Vater und großer Bruder waren, diese Frage verdrängte er.
Und nicht mehr allein sein zu müssen, darüber war er auch froh.
Fantastisch, nicht?

Ist es nicht witzig, was verschiedene Menschen von verschiedenen Herkünften als fantastisch empfinden? Während der Mann mit dem dicken Geldbeutel sich darüber freut, noch mehr Geld machen zu können – weil die Millionen auf seinen Schweizer Konten nicht reichen, nicht ? - , ist eine Mutter froh darüber, ihrem Kind eine anständige Zukunft bieten zu können. Und noch weiter weg,da sterben Kinder und hinterlassen Familien zurück;da sterben Familien und lassen Kinder zurück.

Ist das nicht unheimlich komisch und traurig? Wie wir doch alle wissen, was viele Menschen erleiden müssen, doch trotzdem mit Scheuklappen durch‘s Leben gehen. Wohl wissend, was um uns herum geschieht, aber es ignorieren weil die Realität uns zu sehr Angst macht; weil es uns in unserer Bequemlichkeit beeinträchtigen würde.

Ich wünschte, das wäre alles nur fiktiv und ausgedacht, all das unnötige Leid wäre nur ein Hirngespinst. Aber es ist real.
Ich wünschte, wir alle würden endlich von unseren Wunschträumen erwachen. Aber wer will das schon? Ich wünschte, in meinem Kopf würden nur allerlei fantastischen Vorstellungen spuken. Aber das tut es nicht.

©2019 SchreibKunst-Blog/ Sultan Koras (Q4)

Januar 2016

Es herrscht eine Eiseskälte, die Kälte durchdringt mich, kriecht mir in die Knochen und lässt mich am ganzen Körper zittern. Meine Nase, Ohren und Gliedmaßen sind taub und trotzdem schleppe ich mich durch die Straßen, welche eher einem reißenden Fluss gleichen. Ich bin auf dem Heimweg von einer Brexit- Veranstaltung, weder habe ich mich bis jetzt politisch engagiert, noch für Politik interessiert. Allerdings ist dieses hochbrisante Thema zu fundamental, um mit Nichtachtung abgetan zu werden. Alles Begann mit unserem Premierminister David Cameron, als er 2013 seine Idee eines Referendums über den Verbleib in der Europäischen Union ins Spiel brachte. Sein Motiv bestand allein darin, seine Gegner und EU- Kritiker in der konservativen Partei ruhigzustellen. Anfänglich nahm das Volk dies in keiner Weise als potenzielle Option war. Doch, die Zeit fließt dahin und das Land spaltet sich immer weiter. Es scheint wie ein Riss in einem monströsen Felsen zu sein, tritt einmal ein Sprung auf, verbreitet dieser sich rasant schnell, wird immer tiefer bis der Fels schließlich in zwei bricht. Die EU- Befürworter stehen den Gegnern mit einer Feindlichkeit gegenüber, die sonst nur zwischen Ultra konservativen Republikanern und extremen Demokraten walten. Dieser Zustand ist untragbar, deswegen gründeten wir an der Universität eine Gruppe, die sich ausdrücklich für die Diskussion zwischen beiden Standpunkten einsetzt. Des Weiteren klären wir unsere Mitbürger über die Europäische Union auf. Bei unseren unzähligen Unterrichtbesuchen, sowie Vorträgen versuchen wir den Menschen nahe zu bringen, was die EU uns für Vorteile bringt. Erschreckend ist das offenkundige Unwissen unserer Mitbürger, weiterführend sogar das Desinteresse.

Dieser Brutale Kampf raubt mir die Kraft, das Lebenselixier wird förmlich aus meinem zerbrechlichen Körper gesaugt, trotzdem wird er für mich andauern, solange bis das Referendum mit einer überwältigenden Mehrheit abgelehnt wurde. Wie kann es auch anders kommen.

23. Juni 2016

Ich sitze mit meinen Mitstreitern in einem winzigen Keller, ein bisschen größer als eine Besenkammer. Von hier aus haben wir die letzten sechs Monate unsere Botschaften gesendet, Vorträge geplant- Tag und Nacht bis wir im Stehen die Augen nicht mehr im Stande waren auf zu halten. Wir drängen uns alle vor einem uralten Röhrenfernsehn, das Bild flackert, der Ton hängt. Die Spannung ist gewaltig, unsere Nerven sind bis aufs äußerste gespannt, selbst eine Nadel hätte man in diesem Moment zu Boden fallen gehört. Alle Augen starren auf den Fernseher, wo die Nachrichten laufen. Gleich ist der Moment, für den jeder in diesem Raum alles gegeben hat da. Die Auswertungsergebnisse der Abstimmung werden veröffentlicht.

Mein Magen krampft sich zusammen, meine Atmung setzt aus, meine Zunge ist staub trocken. Ich blinzle, reibe mir die Augen doch die Zahlen bleiben gleich. Dieses Ergebnis konnte ich mir im Traum nicht erklären. Wie konnten 52% für den Austritt stimmen. All die harte Arbeit, aller Schweiß den ich investiert hatte, all die Auszehrung die ich auf mich genommen hatte- und dann so was!

Zusammengesackt, unfassbar traurig verlasse ich den Keller, unfähig ein Wort hervorzubringen renne ich los. Ich laufe schneller als ich je zuvor, ein erbärmlicher Versuch dem Geschehenen zu entfliehen.

29. März 2019

Das Leben ging weiter… Ist es nicht unfassbar am Tag NACH der Abstimmung informieren sich die meisten erst darüber, was gestern zur Abstimmung kam. Naja- die Fehler die aus dieser Inkompetenz entstanden sind, können nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Heute ist der Stichtag auf den unsere neue Premierministerin Theresa May schon lange hin arbeitet, denn schließlich wurde beschlossen, dass das Vereinigte Königreich am heutigen Tag die EU verlassen wird. Doch ist heute wirklich der schwärzeste Tag der geeinten Geschichte von Europa? Darauf gibt es keine Antwort, obwohl festgehalten werden muss, wir waren unfähig unsere eigene Entscheidung umzusetzen. Vor zwei Jahren leitete May Austrittsverhandlungen mit der EU ein, als Ergebnis präsentierte sie Ende 2018 ein Austrittsabkommen. Dieses wurde glatte dreimal im Parlament abgelehnt. Entscheidendster Punkt für diese Ablehnung stellt die vorgeschlagene Lösung mit Irland da. Die sogenannte „Backstop“- Klausel soll nämlich in jeden Fall eine harte Grenze zwischen Irland und dem Vereinigten Königreich verhindern. Hierauf aber noch näher einzugehen würde tausende Seiten füllen, diese ganze Bürokratie, Diplomatie und das Boulen um die Macht ist allzeit präsent.

Inzwischen vertrete ich die Position, dass endlich etwas passieren muss, diese ständige Nichtwissen ist wie Gift. Eine Lösung mit der wir arbeiten können auch wenn es nicht unsere Meinung reflektiert muss dringend her. Die Ungewissheit über die Zukunft ist fatal für unser Land. Unternehmen entschließen sich ihre Firmensitze in andere Länder zu legen, große Banken verlegen ihre Headquarters zum Beispiel nach Frankfurt. Wenn wir diese Entwicklung nicht stoppen können werden wir eine massive Wirtschaftskrise erleben, allein der Finanzsektor macht bei uns 11,5% der Staatseinnahmen aus. Fallen diese weg stehen wir schlecht da, seien wir mal ehrlich auf Tourismus können wir nicht setzen. Zu genüge haben wir in letzter Zeit symbolisiert, wie wir über Ausländer denken und mit Sonnstrahlendem Himmel und Strand konnten wir noch nie überzeugen…

2035

Wir sind zurück! Sicherlich wisst ihr nicht was ich meine, lasst mich versuchen es euch es zu erklären. 2035 geht mein Kampf zu Ende, heißt das Referendum von 2016 ist Geschichte. Eigentlich ist es nicht ganz so einfach, tatsächlich ist das Vereinigte Königreich 2020 aus der EU geflogen. Diese Formulierung können Sie wörtlich nehmen, ich kann es aber keinem verübeln. Das Drama der Austrittverhandlungen wurde immer schlimmer, Theresa May bettelte immer wieder um einen Aufschub und konnte im Parlament keine Ergebnisse erzielen. Trotzdem klammerte sie sich an ihr Amt wie eine Klette, da hatte sie bereits unzählig gescheiterte Versuche Bestätigung für ihr Austrittsabkommen zu bekommen hinter sich. Nach weiteren unendlichen Telefonaten und Staatsbesuchen, fasste der französische Präsident Emmanuel Macron den Entschluss- die Britten haben alle Chancen verspielt, jetzt muss die EU an sich selbst denken und endlich wieder zu Normalität zurückfinden. Um seine Pläne umzusetzen versammelte Macron allmählich die Mitglieder der Europäischen Union und gewährte den Briten eine letzte Gnadenfrist. Doch wie zuvor brachten die Briten absolut nichts zustande, was dieses mal drastischere Konsequenzen für uns hatte, wir flogen Ende 2020 aus der EU. Die neue Situation fühlte sich an wie in einen eiskalten Pool geworfen worden zu sein. Unternehmen die dem Vereinigten Königreich bis jetzt treu geblieben waren suchten jetzt neue Standpunkte, der Handel mit europäischen Ländern kollabierte anfangs komplett. Allein die Zollkontrollen stifteten ein totales Chaos.

Auswirkungen die wir normalen Bürger zu spüren bekamen, davon gab es einige. Beispielsweise blieben die Regale in Supermärkten oft leer, es war nicht so das wir hungern mussten aber alles was über die Grundversorgung hinaus ging war wie vom Erdboden verschluckt. Am schlimmsten, zumindest für mich war allerdings das alle EU- Bürger welche bei uns gelebt hatten von heute auf morgen keinerlei Aufenthaltsrechtgenehmigung mehr hatten, deswegen sofort Ausreisen mussten. Bewusst wurde mir hierbei, wie wir alle von den allen Ausländern profitiert hatten. Das Straßenbild wurde extrem Monoton, nur britische Männer im Anzug mit Hut und Frauen in eleganten Kleidern mit Handtaschen waren zu sehen. An unser Universität fehlte ca. ein Drittel der Studenten und mit ihnen die Lockerheit und der Spaß.

Jetzt will ich aber aufhören mich zu beklagen und mich freuen, dass wir wieder ein Teil dieser großartigen Gemeinschaft geworden sind. Ganz tief in mir spüre ich, dass wir diese dunkle Periode in unserer Geschichte gebraucht haben, um ein solches Geschenk wieder richtig wertschätzen zu können. Dieser komplette Wahnsinn entpuppt sich schlussendlich doch als fantastisch, da er uns lehrte: Alleine ist man nichts, in einer Gemeinschaft aber jemand.

©2019 SchreibKunst-Blog/ Janne Kühner (Q4)

Mein letzter Tag auf der Erde wäre an einem Freitag. Am 22. Dezember auf dem kleinen zugefrorenen Bach hinter unserer Wohnsiedlung mit allen meinen Freunden.

Irgendjemand hätte seine Box mitgebracht und wir würden, während im Hintergrund kitschige Weinachtshits spielen, grölend über die dünne Eisschicht schlittern. Im schönen Minnesota. In der beißenden Dezemberkälte, während Wham in unserer empfindlichen Blase des Glücks wiederhallt, Zoé sich die ganze Zeit an mich klammert und somit unbewusst zum glücklichsten Jungen der Welt macht.

Mein letzter Tag auf der Erde wäre am 22. Dezember. Zwei Tage vor Weihnachten. Wenn meine Alten beschließen sich mal nicht zu streiten und wir irgendwann stumm ausgemacht hätten nicht darüber zu reden. Wenn wir für diesen kurzen Moment über die immer höher werdenden Rechnungen hinwegsehen und so tun, als wären wir reiche Leute. Wenn meine Schwestern und Großeltern zu Besuch kommen und meine Mutter Plätzchen backt. Wenn, obwohl es noch nicht Weihnachten ist, Weihnachtsfilme laufen und wir uns alle auf dem kleinen Sofa, vor dem Fernseher, versammeln. Wie die Simsons, die für diesen kurzen Augenblick Gemeinsamkeit aus allen Richtungen kommen.

Mein letzter Tag auf dieser Erde. Auf dieser Welt, in dieser Endlichkeit wäre ein wirklich schöner Tag. Leichte vierundzwanzig Stunden. In dieser empfindlichen Blase des Glücks, die die Sekunden langsamer verstreichen lässt und alles besser macht. Bis dahin werde ich durchhalten. Bis zu diesem fantastischen Tag. Danach werde ich aufhören zu

©2019 SchreibKunst-Blog/ Malak Aderounmu (9a)