Luna Hergott: Alles anders

ALLES ANDERS 

 

Hallo. Mein Name ist Mia und ich bin 13 Jahre alt. Bis vor einer Woche war noch alles anders. Ich lebte mit meinen Eltern in einer großen Stadt, hatte viele Freunde und man könnte sagen, wir waren reich. Früher war ich fast den ganzen Tag an unserem großen Pool, denn ich liebe es zu schwimmen. Ich habe auch schon unzählige Wettbewerbe gewonnen. Die Pokale, Urkunden und Medaillen stellte ich in dem kleinen Schrank neben meiner Zimmertür aus. Immer, wenn das Licht auf den Schrank fiel, glänzten die Preise noch mehr, als sie es sowieso schon taten, denn der Schrank stand direkt gegenüber von meiner Terrassentür. Da sie aus Glass war, durchströmte Tageslicht mein ganzes Zimmer. Ich hätte nicht einmal eine Lampe gebraucht. Abends war ich sowieso immer unten in unserem großen Wohnzimmer. Damals habe ich mir mit meinen Eltern Serien angeschaut und dann haben wir Karten gespielt. Meistens hat mein Vater gewonnen. Wir nannten ihn auch den Kartenkönig. Genauso wie ich, liebte er es, Partys zu feiern. Ich tanzte mit meinen Freunden in die Nacht hinein und mein Vater war meistens mit seinen Kollegen am Pool, während meine Mutter für uns kochte. Sie konnte sehr gut kochen und hatte mir schon viel beigebracht. Natürlich ging ich auch in die Schule. Es war eine Privatschule und die anderen Kinder stammten aus Familien, die genauso reich waren wie meine. Jeden Samstag und Sonntag wurde ich von jemand auf eine Party eingeladen. Meist war dort unsere ganze Klasse. Das ist alles etwas Besonderes was nicht jeder haben kann und ich lernte nie, die kleinen Dinge im Leben zu schätzen. Alles was ich hatte war für mich so selbstverständlich. Meine Eltern sagten mir zwar immer, wie toll es war, all das zu haben und so leben zu dürfen. Ihr denkt jetzt wahrscheinlich ich wäre undankbar, aber das ist nicht wirklich so. Ich war es nur so gewohnt. Ich kannte es einfach nicht anders. Meine beste Freundin dachte genauso wie ich, dass alles in unserem Leben normal ist. Ihr Name ist Melinda. Wir machten fast alles zusammen und auch unsere Eltern waren sehr gut befreundet. 

 

An einem heißen Sonntagmorgen wachte ich mit dem Geräusch lauter Stimmen auf. Irgendjemand schien sich zu streiten. Ich wusste nicht woher die Stimmen kamen und wer sich stritt. Es war mir aber auch eigentlich egal, denn an diesem Tag begannen die Sommerferien. Melinda und ich hatten schon Wochen vorher geplant, was wir alles machen wollten. Gut gelaunt ging ich also nach unten in unsere Küche. Normalerweise waren meine Eltern schon da und wir frühstückten alle gemeinsam, aber an diesem Tag war die Küche leer. Vielleicht schliefen meine Eltern noch. Ich ging noch einmal ins obere Stockwerk, in das große geräumige Schlafzimmer. Auch hier war niemand zu finden. Langsam machte ich mir Sorgen. Ich schaute aus dem Fenster. Und dort saß meine Mutter. Warum war sie im Garten und nicht in der Küche? Wo war mein Vater? Schnell rannte ich die Treppe runter und lief zu meiner Mutter. Irgendwie sah sie traurig, wütend und verstört zu gleich aus. Ich hatte sie so noch nie gesehen. Meine Mutter war eigentlich ein sehr glücklicher Mensch und hatte immer ein Lächeln im Gesicht. Ich ging zu ihr, aber sie reagierte nicht? „Mama?“, fragte ich. Sie gab keinen Ton von sich. Ab diesem Moment war mir klar, dass irgendetwas nicht stimmen konnte. Ich machte mir Sorgen, dass meinem Vater etwas zugestoßen war. „Mama?“, fragte ich erneut. Sie gab immer noch keine Antwort. „Wo ist Papa?“, fragte ich mit leicht energischem Klang. „Bei der Arbeit.“, sagte sie knapp. Es fiel mir schwer, ihr zu glauben, denn irgendwie klang es so, als wäre es einfach nur eine schnelle Ausrede. Ich machte mir schon Sorgen, wollte mir aber den Tag nicht verderben. Also sagte ich meiner Mutter, dass ich jetzt zu Melinda ginge. Meine Mutter antwortete mit einem Nicken, wobei sie mich nicht ansah. Ich ging einfach los und machte mir keine Gedanken mehr, denn ich hatte mich so auf diesen Tag gefreut. Melinda wartete schon vor unserer Tür. „Wo warst du denn so lange?“, fragte sie. „Weiß nicht“, sagte ich leise und bemerkte, dass dies nicht die Antwort auf Melindas Frage war. „Wie meinst du das?“, fragte sie, „Alles ok Mia?“ „Jaja, ich bin nur etwas müde.“ antwortete ich ihr und fügte ein gespieltes Gähnen hinzu, dann brachen wir auf. Wir verbrachten den ganzen Tag im örtlichen Schwimmbad und im neuen Shoppingcenter. 

 

Spät am Abend kam ich nach Haus. Den Vorfall am Morgen hatte ich längst vergessen. Als ich unsere Wohnungstür öffnete erstarrte ich jedoch. In unserem großen Flur standen fünf Polizisten und mittendrin war meine Mutter. Sie weinte fürchterlich. Ein großer Polizist mit breiten Schultern, einer Glatze und einem Totenkopf Tattoo am rechten Arm sagte streng: „Bis Sonntag und keinen Tag länger haben sie verstanden!“ Es war keine Frage, sondern ein Befehl ich hörte es genau. Die Polizisten gingen und ich war alleine mit meiner Mutter. Ich brachte keinen Ton raus und ich sah ins Nichts. Alles kam mir so unecht vor. Ich dachte, es wäre ein Traum und versuchte aufzuwachen, aber natürlich geschah nichts, denn es war die Realität. Auch meine Mutter sagte nichts. Man hörte nur ihr leises Schluchzen. Minuten vergingen und keiner sagte etwas. In meinem Kopf begann sich alles zu drehen. Ich wusste nicht genau wie ich reagieren sollte. Mein größter Wunsch war, dass ich aus diesem Albtraum erwachen würde. Wäre es denn einer gewesen. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. „Ähm… Mama was war das?“, fragte ich fast lautlos. Sie antwortete nicht. Langsam wurde ich wütend. Ich wusste nicht mehr, wie ich mit der Situation umgehen sollte. „Warum antwortest du nicht? Und wo ist Papa?“, schrie ich sie an. Ich wusste mir einfach nicht mehr zu helfen. Endlich sagte meine Mutter etwas. Sie sah mich mit ihren tiefblauen Augen an. „Also Mia… das ist so… also, naja, weißt du… dein Vater…“, flüsterte sie so leise, dass ich sie kaum verstand. „Was ist mit Papa?“, fragte ich. Meine Mutter hielt den Atem an und sagte dann: „Mia dein Vater ist ein Verbrecher. Das ganze Geld, das wir haben hat dein Vater durch Drogenhandel verdient. Heute Morgen standen ein paar Polizisten vor der Tür und haben deinen Vater mitgenommen. Wir sind jetzt hoch verschuldet und das Geld wurde uns abgenommen. Was das Haus betrifft müssen wir bis Sonntag hier ausgezogen sein, da wir kein Geld mehr haben.“ Sie fing an zu weinen. Ich konnte es nicht fassen. Mein Mund stand offen und mir blieb die Spucke weg. Ich konnte es einfach nicht glauben. Dieser Mann, mein Vaterein Verbrecher? Einige Sekunden stand ich reglos da. Doch dann rannte ich in mein Zimmer und verkroch mich in meinem Bett. Ich verstand die Welt nicht mehr. Alles um mich herum stürzte ein und mein ganzes Leben zerfiel! Ich merkte nicht wie ich einschlief. 

 

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fing ich sofort an zu weinen. Erst jetzt konnte ich alles wirklich realisieren. Ich lief runter zu meiner Mutter. Sie blätterte in der Zeitung und suchte nach Jobs. Als sie mich sah umarmte sie mich. „Alles wird gut.“, flüsterte sie. Noch an diesem Tag packten wir unsere Sachen und meine Mutter zeigte mir unsere neue Wohnung. Sie befand sich in einem Hochhaus und hatte genau ein Zimmer. Ich konnte nicht glauben, dass es so etwas gibt. Bis jetzt hatte ich noch nie eine so kleine Wohnung gesehen. Alle meine Freunde hatten schließlich auch eine Villa. Natürlich konnte ich auch nicht mehr auf die Privatschule gehen. Jetzt gehe ich auf eine ganz normale Schule und die Kinder dort sind genauso nett wie auf der alten Schule. Ich bin sehr froh, dass meine Mutter immer zu mir hält. Sie ist die wichtigste Person in meinem Leben. Was meinen Vater angeht bin ich mir nicht sicher. Ich weiß nicht, ob er es für uns gemacht hat. Ich kann nicht verstehen, warum er nicht einfach einen normalen Job gemacht hat. Es wäre besser gewesen. Hätte er normal gearbeitet, wären wir zwar nicht reich gewesen, aber er wäre jetzt noch hier. Mein Leben ist jetzt nicht deshalb schlechter, weil ich nicht mehr auf eine teure Schule gehen kann, nicht mehr in einer Villa wohne, nicht jeden Tag eine Party feiern kann, nicht mehr in den Schwimmkurs gehe, sondern weil mein Vater im Gefängnis ist und nicht an meiner Seite stehen kann bei allem was ich tue! Reichtum ist nicht so viel wert wie Liebe. Mein Vater war der Mensch, auf den ich immer zählen konnte. Als ich Melinda davon erzählte, ging sie einfach und ließ mich allein. Ich hatte immer gedacht, wir wären richtige Freunde und nicht, dass es ihr nur ums Geld geht. Richtige Freunde sind solche, die einen bei allem unterstützen, egal wie reich oder wie arm man ist. So hat sich mein Leben komplett verändert und alles ist anders als vorher. Eins habe ich aber gelernt. Geld ist nicht alles! Was wirklich zählt, sind die Familie und die Freunde. Es ist beides sehr wichtig und ich würde alles tun, um meinen Vater und meine Freundin zurück zu bekommen. Das Geld ist mir egal!      

 

 

 

Ende                      

             

      

 

 

 

 

 

 

 

    

 

 

 

 

 

 

 

 


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