Tom Schmidt: Alles anders – Eine Biografie des Coronavirus

Alles anders – Eine Biografie des Coronavirus
Kapitel 1
Hallo, mein Name ist Co Rona und ich wurde auf einem Markt im chinesischen Wuhan geboren. Dort war eine Riesenmenge an Leuten, super, dachte ich, hier kann ich mich ganz schnell verbreiten. Also heftete ich mich an einen Mann, der ganz aufgeregt durch die große Menschenmenge lief. Als der Mann an seinem Ziel angekommen war, wusste ich, warum er es so eilig hatte: Sein Flug nach Deutschland ging schon in einer Stunde! Nach einer halben Stunde am Sicherheitscheck lagen die Nerven des Mannes blank. Er sprintete zu seinem Gate. Ich musste mich festhalten, umnicht herunterzufallen. Am Gate angekommen, war niemand mehr da, alle waren schon eingestiegen. „Sie sind der letzte! Beeilen Sie sich, wenn der Flieger nicht ohne Sie fliegen soll“ sagte die Flughafenmitarbeiterin mürrisch, offenbar machte sie Überstunden. Fast tat sie mir leid.„Danke, dass Sie auf mich gewartet haben“ bedankte sich der Mann. Als der Mann der Flughafenmitarbeiterin das Flugticket zeigte, sah ich, dass der Mann, an den ich mich geheftet hatte, Malte hieß. Sein Flug ging nach Deutschland, genauer gesagt nach Berlin.Ich war total begeistert.Ich war zwar noch nie in Berlin, allerdings habe ich dort einen Bruder, der übrigens Co Vid hieß. Er schreibt mir ganz oft Briefe, in denen drinsteht, an wen er sich geheftet hatte.In diesen Briefen stand allerdings noch etwas: In Deutschland wurde noch nicht alles desinfiziert und es gab noch keine Sicherheitsmaßnahmen, also das reinste Paradies.Als Maltesich endlich auf seinen Sitz setzte und das Flugzeug starten konnte, rief er seine Mutter an. In dem Gesprächerfuhr ich, dass Malte Geschäftsmann istund gerade seine Geschäftsreise in China beendet hatte und jetzt wieder nach Hause flog.Nach zehn Stunden Flug landeten wir endlich. Ich war überglücklich! Wie mein Bruder Co Vid es mir schrieb, gab es wirklich keine Sicherheitsmaßnahmen. Malte nahm seinen Koffer und stieg aus. Als wir aus der Gangway herauskamen, stockte mir der Atem. So eine schöne Menge zum weiterverbreiten! Es war wirklich alles andersals in China!
Kapitel 2
Malte hatte wirklich eine sehr luxuriöse Wohnung. Es hingen überall in der Wohnung Bilder von bekannten Künstlernherum, er war also auch noch ein Kunstsammler.Nach einiger Zeit wurde mir erst wirklich bewusst, wie viel Geld Malte haben musste. Er hatte sogar einen persönlichen Butler!Als Malte am nächsten Morgen aufwachte, setzte er sich fast auf mich drauf.Ich muss wirklich mal meinen Platz wechseln, dachte ich mir.
Zum Frühstück aß Malte Haferflocken. Ziemlich einfach für so ein hohes Tier, finde ich. Als ich auf die Uhr sah, war es 6:30 Uhr. Mann, Mann, Mann, der ist ja schon ziemlich früh auf den Beinen!
Kapitel 3
Pünktlich um 7:00 Uhr saß Malte im Auto. Auf dem Weg zu seiner Firma trank er zum Aufwachen einen Energy Drink. Ich probierte auch ein Schlückchen, wäredabei aber fast ersoffen. Gemeingefährlich, dieser Drink.In seinem Büro angekommen ging Malte zu seinem Schreibtisch. Dort stand ein schon angeschalteter Laptop, Malte musste nur noch sein Passwort eingeben. Dann kam plötzlich eine Frau, etwa fünfundzwanzig Jahre alt mit einem Kaffee auf einem Tablet.„Wollen Sie einen Kaffee, Herr Lenze?“ fragte die Frau in einem etwas unterwürfigen Ton.„Das ist sehr nett von Ihnen, Josie“antwortete Malte.Das Gespräch ging noch weiter, aber etwas anderes zog meinen Blick auf sich. Auf Josies Mantel saß ein Mädchen! Und es war sogar das gleiche Virus wie ich! Das war Liebe auf den ersten Blick. Also sprang ich von MaltesJackett und kletterte auf Josies Mantel.„Hallo, ich bin Sars Cov! Und wer bist du?“ fragte das Virusmädchen. „Öhm … ich bin … ähm … Co Rona.“ stotterte ich und wurde dabei ganz rot.Dann führten wir ein sehr interessantes Gespräch. Ich fand heraus, dass Sars Cov aus Wien stammte und mit dem Zug nach Berlin gekommen war.
Kapitel 4
SarsCov nahm mich mit in Josies Wohnung. Und dort war es nicht halb so luxuriös wie in der Wohnung von Malte. Das war mit aber auch herzlich egal, solange ich bei Sars Cov war.Am nächsten Tag wachte ich in Josies Bett, direkt neben Sars Cov auf.„Aufstehen! Oder willst du, dass Josie ohne uns zur Arbeit fährt?“ hörte ich Sars sagen.Als wir da waren, konnte ich einen Blick auf das Schild der Firma erhaschen, in der Josie arbeitete:

Kapitel 5
Ich fragte Sars, was BioNTech ist.„Das ist eine Firma, die Impfstoffe herstellt.“ meinte Sars.Im Firmengebäude schienen alle angespannt auf irgendetwas zu warten. Es hing ein Bildschirm in der Eingangshalle und alle starrten darauf. Auf dem Bildschirm stand unten rechts:EUROPÄISCHE ARZNEIMITTELBEHÖRDE –BEKANNTGABE ZUR ZULASSUNG DES BIONTECH-VAKZINS GEGEN COVID-19Ich bekam ein flaues Gefühl im Magen –gab es tatsächlich einen Impfstoff gegen uns, die Coronaviren?„Ähmm … Sars?“ fragte ich.„Ja?“„Der Impfstoff gegen uns –der wird doch jetzt nicht etwa zugelassen?“Sars und mir wurde bewusst, dass wir in der Patsche saßen, als eineraus dieser komischen Behörde sagte: „Der Impfstoff von der Firma BioNTech gegen CoViD-19 wird zugelassen. “Es gab ein riesiges Gejubel. Aber Sars und ich hörten das gar nicht mehr und sahenzu, dass wir rasch aus dem Gebäude herauskamen.Wir flüchteten bis zum Bahnhof und sprangen in einen Zug nach Timbuktu. Bis dahin wusste ich nicht mal, dass es das wirklich gibt.Nach dreißig Stunden Fahrt sagte der Schaffner, an den sich Sars und ich geheftet hatten, zu einem Mann, der noch nicht ausgestiegen war: „Alles aussteigen! Oder wollen Sie zurücknach Murmansk kommen?“ Sars und ich sprangen aus dem Zug und sahen uns um. Es war weit und breit nur Wüste.
Kapitel 6
Na ja, jetzt leben wir schon ein Jahr in der Wüste. Und wir haben ein Kind gekriegt. Auf das sind wir mächtig stolz. Es ist nämlich eine Mutation. Wir haben unser Kind B117 genannt und raus in die Welt geschickt. Es schickt uns ständig Grüße aus Großbritannien. Anscheinend wird unser Kind im Fernsehen deswegen immer „Großbritannien-Mutation“ genannt. Auf jeden Fall hatten Sars und ich geheiratet, und wir lebten glücklich in unserer Düne in Timbuktu.

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