Laura Schmelz – Das Meer

Ja, es war lange her, sehr lange. Doch trotz allem konnte ich mich noch sehr gut erinnern. Und jetzt will ich mein Wissen an euch weitergeben. Es war lange her, ich selbst war nicht dabei, da man auch bedenken muss, dass ich erst 12 bin. Wieso ich es weiß, wenn ich nicht dabei war? Man hat diese Geschichte im Laufe der Jahrhunderte in meiner Familie weiter erzählt. Also es war im Jahr 912. Und ja, es waren Wikinger. Und heute wird ihnen nach gesagt sie wären Plünderer. Doch das stimmt nicht. Vielleicht haben sie manchmal ein bisschen über die Stränge geschlagen, doch im Grunde waren sie richtig gute Geschäftsleute, und meine Vorfahren. Ist doch klar, dass ich sie verteidige. Außerdem haben wir noch etwas ganz Wichtiges gemeinsam. Wir alle lieben die Weite. Doch erstmal, fangen wir an : Hell stand am Feuer. Sie hörte wie es beruhigend knisterte und raschelte, und die Glut höher zu kommen schien. Sie dachte traurig: ,,Wie ähnlich sie mir ist. Genau wie die Glut versuche ich hier wegzukommen, doch es klappt nicht.“ Da fasste sie einen Entschluss: ,,Ich werde hier keine Nacht länger mehr bleiben, auf keinen Fall. Es brachte nichts hier dumm rumzusitzen und hier zu warten, bis sie alt und grau wurde. Was hielt sie hier noch in diesem nassen verregneten Skandinavien? Nichts. Absolut nichts. Ihre Eltern waren vor mehreren Monden gestorben, ansonsten hatte sie hier niemanden, die Ernte ging hier nicht auf. Und sie hatte Sehnsucht nach dem Meer. Also gut, es war beschlossene Sache. Sie ging noch heute früh von hier weg! Einige schlossen sich ihr an und sie packten ihre Sachen, doch allzu viele waren es nicht, da das Meer gefährlich war und bei solchen Reisen immer nur die Hälfte zurückkam oder ankam. Doch die, die mitkamen, waren bereit das Risiko einzugehen. Denn alle von ihnen wollten nur eins, nämlich ein besseres Leben führen. Und als alle an Bord waren fuhren sie los. Mit vereinter Kraft (da sie rudern mussten) war das Dorf schon bald hinter einem Hügel verschwunden. Manche sah man noch vereinzelt winken, doch dann waren irgendwann alle verschwunden. Da sie oben an Deck saß, hatte sie genügend Zeit und zwar zum Nachdenken. Endlich, dachte sie, ich bin wieder auf dem Meer, wo die Weite mich hinzieht werde ich ihr folgen. Und doch hatten sie einen Plan wo sie hinreisen wollten. Sie hatten vor immer nach Westen zu fahren. So würden sie hoffentlich, so munkelt man, an einen schönen tollen wunderbaren Ort kommen. Plötzlich wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, denn sie waren in einen Sturm gerudert. Der Regen prasselte nur so auf das Deck und der Wind heulte, dass es nur so krachte. Und ihre Besatzung war bereits in Sicherheit. Sie versuchte sich unter Deck zu kämpfen, doch sie rutschte immer wieder auf dem nassen Deck aus. Gerade als eine Riesenwelle auf sie zu kam und sie mit sich reißen wollte, rutschte sie aus. Noch ein paar Meter, dann war sie bei der Luke. Doch die Riesenwelle brauchte auch nur noch ein paar Meter. So werde ich also verenden, am Grund des Ozeans. Wenigstens spüre ich dann für immer den Ozean. Doch dann senkte sich die Welle plötzlich und das Gewitter zog vorbei. Was war denn jetzt los? Wunderte sich Hell. ,,Danke, wer immer das auch war“ rief sie froh. Doch sie hatte da schon so einen Verdacht, ob es wirklich wahr war, zumindest hätte sie es so gerne. Sie liebte sie nämlich, obwohl ihre Eltern dort verendet waren. Doch sie fühlte sich ihr dadurch noch näher. Ob es wirklich die Weite gewesen war, wohl eher nicht, aber wer weiß es schon? Urplötzlich standen ihre Mannschaftskollegen vor ihr und schauten sie mit fragenden Blicken an. Sie wusste es ja selbst nicht so genau, also zuckte sie nur ahnungslos mit den Achseln. Und ging auf die andere Seite des Schiffes. Seltsam, was hatte sich nur vor ihren Augen abgespielt? Was wollte die Weite ihr nur damit sagen? Was würde passieren? Was würde folgen? So viele Fragen tummelten sich in ihrem Kopf. Doch jetzt gab es erst einmal Abendessen, Es ging nämlich schon bald die Sonne unter. Da sie wach bleiben musste für ihre Nachtruderschicht war es besser, wenn sie gar nicht erst einschlief. Sie holte sich etwas zu Essen und ging damit in eine Ecke des Bootes. Und so vergingen die Tage, Wochen, Monate und schließlich ein Jahr, als sie das letzte Mal etwas von der Weite gehört hatte oder wenigstens vom Ozean. Doch eines Abends spürte sie etwas, sie würden schon bald da sein, das wusste sie. Doch plötzlich schwammen auf der Meeresoberfläche überall tote Fische herum. Was hatte das schon wieder zu bedeuten? Sie kletterte auf den obersten Mast ihres Schiffes, es war ein Pfeil und dieser führte in eine ganz andere Richtung als sie eigentlich vorhatten zu fahren. Sollte sie dem Pfeil folgen, ja, auf jeden Fall. Sie schrie zu ihren Mannschaftskollegen: ,,Süden!“, ,,Süden!“ riefen einige andere weiter. Und sie steuerten in die Richtung wo der Pfeil hinzeigte.

Nach einigen Tagen sahen sie endlich Land. Endlich! In diesem Moment wusste sie, es würde alles wieder gut werden. Die ganzen Mühen waren nicht umsonst gewesen. Sie trafen schon bald in der Bucht ein. Ihr fiel es schwer die See zu verlassen, doch irgendwann war das Schönste auch mal vorbei. Ihren Mannschaftskameraden fiel es ganz und gar nicht schwer das Deck und somit auch das Meer, die Weite, zu verlassen. Aber sie fand es schwierig, für sie war die unendliche Weite ein zweiter Teil von ihr. Doch schweren Herzens verließ sie schließlich das Schiff. Sie schaute sich um, was für ein schöner Ort. Überall grünte und blühte es. Das Warten hatte sich also gelohnt, endlich war sie da und trotz allem war sie nicht so recht glücklich. Hell erkundete erst einmal die Gegend. Sie ging in einen Wald hinein wo komische grünliche Seile von den Bäumen herabhingen. Sie ging weiter und immer tiefer in den Wald hinein. Auf einmal sprach eine Stimme hinter ihr: ,,Was suchst du hier, Hell?“ Hell drehte sich erschrocken um. Wer hatte dort gesprochen? Es war ein kleiner Affe. ,,Was bist du?“ Fragte Hell. ,, Meinst du damit meine Gestalt oder was ich wirklich bin?“ ,, Beides“ antwortete ihm Hell zögernd. ,,Von außen sehe ich aus wie ein Affe, der sprechen kann, aber im Inneren bin ich Weite“ sagte der Affe. ,, die Weite?“ ,, Ja, die Weite. Ich bin die Verkörperung von Wüsten und Meeren, ich kontrolliere sie . Ich weiß, du suchst ein besseres Leben, baue hier und du wirst hier leben können.“ Nach diesen Worten verschwand er. Hell war einfach nur noch erstaunt und doch war sie einfach nur glücklich. Sie hatte die Weite kennen gelernt und sie konnte hier wohnen. Noch ehe sie es sich versah stieß sie einen Freudenschrei aus. Alles musste raus aus dem letzten Jahr. ,,Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!“


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