Katharina Watzel: Malufandrohms Rat

Der riesige Baum, eingemümmelt im dicken, reinen Weiß, das geädert ist mit dunkelbraunen Strichen, thront majestätisch im Licht der blendenden Morgensonne. Die Luft ist kalt und schmeckt kühl nach süßlichem Schnee, der auf der Erde ruht wie eine Decke. Der Himmel, makellos blau, wird nach hinten hin immer heller, bis er, ganz in weiß, hinter den Bergen verschwindet, auf denen eine verschleiernde Nebelwolke liegt.

“Was mag sich wohl dahinter verbergen”, fragte sich der junge Rotfuchs Foral, als er, wie jeden Morgen, auf Nahrungssuche bei der großen, von allen Tieren verehrten Glückseiche stehen blieb, um sich wie jeden Morgen die selbe Frage zu stellen. An diesem perfekten Tag jedoch hielt er länger inne als gewöhnlich.

“Gibt es dort auch Rotfüchse? So gerne würde ich mal welche sehen”, dachte er, während er verträumt mit der Pfote Muster in den festen Schnee unter ihm schabte. “Was spräche dagegen, sich dort mal umzuschauen?”, schweiften seine Gedanken weiter. Genussvoll und voller Abenteuerlust sog Foral die frische Luft ein – Kalt! Diese Kälte brachte ihn wieder zu Sinnen. “Wer weiß, ob ich jemals an diesen Ort zurückkommen werde, den ich so liebe?”, bedachte er sorgenvoll.

Sehnsüchtig streckte er sich, um einen besseren Blick auf das Tal zu erhaschen. Er wollte ja hinunter wandern, aber gleichzeitig sein Zuhause nicht verlassen. Geheimnisvolle Schatten tanzten hinter dem Nebel. So gern würde er herausfinden, was es mit ihnen auf sich hatte. Er seufzte gequält. “Wenn ich hierbleibe, werde ich unglücklich, wenn ich weggehe, vermisse ich den Baum…”, dachte er verdrossen.

“Nanu”, ertönte auf einmal eine Stimme, die eindeutig die des weisen Uhus Malufandrohm war, der sein Heim in der Glückseiche hatte. “Du schaust so traurig aus!”

Foral drehte seinen Kopf nach Malufandrohm, als er schwerfällig zu ihm hinüber glitt und träge blinzelte. “Vielleicht kann ich dir ja helfen?”, bot er an.

“Könntest du mir vielleicht einen Rat geben, was ich tun soll?”, seufzte Foral und wies mit der Schnauze in das Tal, das sich vor ihnen auftat. Der Uhu kannte die Probleme von allen Tieren in der Gegend, denn wer eines hatte, ging damit zu Malufandrohm, damit er ihnen weiterhelfen konnte.

Er schmunzelte, als er ebenfalls nach unten schaute. “Das musst du dir schon selbst überlegen”, fand er. “aber du solltest nicht zu lange warten. Sonst wird es zu spät, und du wirst du zu alt, und dann hast du keine Wahl mehr. Wenn es daran liegt, dass du diesen Ort so liebst, dann sollst du wissen, dass es Gefängnisse gibt, die nur deswegen Gefängnisse sind, weil man gar nicht mehr hinaus will. Wenn es daran liegt, dass du Dinge entdecken willst, dann sage ich dir, dass es manchmal besser ist, wenn man etwas nicht weiß”

Nachdenklich schaute Foral in die Mayemo-Berge. “Mayemo” bedeutete “Sehnsucht” in der alten Sprache der Adler, und “Geheimnis” in der alten Sprache der Schwalben.

Plötzlich bemerkte er, dass Malufandrohm nicht mehr neben ihm saß. Die Sonne ging schon auf den Mittag zu, stellte er außerdem fest, als sein Magen laut knurrte. Dann ging er weiter auf Nahrungssuche.


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